Die SED/PDS-Furcht vor den Berufsverboten

■ Landesweites Treffen gegen Berufsverbote in der DDR / Die Opfer des Volkes fühlen sich zutiefst diskriminiert

Aus Berlin Thorsten Preuß

Früher war ein Mitgliedsbuch der SED Voraussetzung zum Aufbau einer erfolgreichen Karriere, heute ist es das sicherste Mittel zur Beendigung derselben. Volkesstimme will endlich mit allen abrechnen, die sich mit Honecker und Co im Arbeiterparadies zufrieden eingerichtet hatten, möchte am liebsten alle die, die in leitenden Funktionen die Macht der Greise gesichert beziehungsweise vertreten haben, als Schuhputzer, Kesselflicker oder Friedhofsgärtner „mal richtig arbeiten lassen“. Düstere Aussichten also für die ehemaligen Stützen der Gesellschaft, denn nun droht ihnen nach Überprüfung ihrer gesellschaftlichen Vergangenheit, die Entlassung aus ihrer bisherigen Tätigkeit. Deswegen trafen sich am Samstag Betroffene und solche die es werden könnten im PDS-eigenen Haus am Köllnischen Park in Ost-Berlin zum „Ersten landesweiten Treffen gegen Berufsverbote in der DDR“.

Dr. Rolf Funda, aktives SED/PDS-Mitglied und Kreistierarzt in Straßfurt, ist der Organisator des Treffens und bekanntes Opfer der „übelsten Berufsverbotspraxis aus der finstersten Zeit des Kaltes Krieges“, wie er es in einem Brief an Ministerpräsident de Maiziere formulierte. Als Leiter des Amtes für Veterinärmedizin hat er zwar seine Tiere in den vergangenen 18 Jahren nicht etwa auf Parteilinie gespritzt, war aber in wichtiger Stellung der SED vor Ort aktiv und somit bei denen, die jetzt neugewählt im Kreistag sitzen, unbeliebt und nicht mehr tragbar. Eine Erfahrung, die auch Frau Rita Nitsch teilen kann. Sie ist SED/PDS-Mitglied und war 14 Jahre lang Direktorin einer Oberschule und mußte sich wie alle in leitenden Funktionen Tätigen nach dem Ministerratsbeschluß vom 30. Mai neu um ihre Stelle bewerben. Dabei fiel sie durch, eine neue, unbelastete Kollegin übernimmt ab September das Ruder. Sie selbst wird wieder einfache Lehrerin. „Schreiendes Unrecht“ werde ihnen zugefügt, „menschenverachtend“ seien diese Überprüfungsmaßnahmen, „übelste Gesinnungsschnüffelei“ werde betrieben und eine Frau verstieg sich unwidersprochen in die Behauptung, „es gebe eine Progromstimmung im Lande“. Jeder der Sprechenden beteuerte natürlich, immer nur bestens seine Arbeit getan zu haben, die „alte verfehlte SED-Politik ja auch immer abgelehnt zu haben“ und jetzt armes Opfer des rachsüchtigen Volkes zu sein. Zwar konnten auch sie kein Beispiel nennen, wo sich jemand an einem alten SED-Vasallen wirklich „gerächt“ hat, aber schon, daß sich jetzt jeder von ihnen in Einzelfallprüfung Fragen nach seiner persönlichen Verantwortung gefallen lassen muß, ist Grund genug an altbekannte Denkmuster anzuschließen.

Und weil im eigenen Land bei den meisten Menschen zur Zeit wenig Interesse an einer solidarischen Unterstützung der ehemaligen SED- und Stasi-Leute besteht, holt man sich die aus Westdeutschland. Die „Bürgerinitiative gegen Berufsverbote“ der Bunten Liste Freiburg schickte zwei Vertreter und ein Flugblatt, auf dem die Lage gleich im ersten Satz gründlich verkannt wird: „Nach über zwanzig Jahren Berufsverbote in der BRD wird diese Praxis nun auf die DDR ausgeweitet.“ Aber in der DDR hat es Berufsverbote schon seit ihrer Gründung gegeben und damit wesentlich eher und verschärfter als in Westdeutschland. Aber das stand nicht zur Diskussion. Auch nicht, das der Begriff der „Berufsverbotspraxis“ für die derzeitige Lage in der DDR gar nicht zutreffend ist, da es in der DDR einen Radikalenerlaß nicht gibt.

Wenigstens Dr. Klaus Pfannenschwanz, Rechtsanwalt und Verteidiger vieler Berufsverbotsopfer in der BRD, erinnerte daran, daß ein Richter, der reihenweise Menschen politisch ins Gefängnis schickte, keiner mehr sein darf, und war somit der einzige der ansprach, daß es auch Schuldige gibt, die sich für die weitere Ausübung ihres Berufes selbst disqualifiziert haben. Aber schuldig sind immer nur die anderen und so beschloß man lieber, sich überparteilich zu organisieren. Mit wem das - vor allem in der DDR - geschehen soll, blieb offen, Hoffnung setzte man vor allem „auf alle Linken, die im Großdeutschland ja auch vom Berufsverbot bedroht sind“.

Torsten Preuß