Kurt Waldheims Triumphzug bei Saddam Hussein

■ Österreichs umstrittener Präsident brachte seine Schäfchen sicher von Bagdad nach Wien / Kritik am „Bruch der internationalen Solidarität“

„Willkommen zu Hause - Bravo Kurt Waldheim!“. Das Transparent auf dem Wiener Flughafen Schwechat spiegelt die überschwenglich nationale Stimmung in Österreich wider. Denn während man in den anderen westlichen Staaten um das Leben der als Geiseln im Irak festgehaltenen Bürger fürchtet, hat das bange Warten in der Alpenrepublik ein Ende. Nach einem diplomatischen Alleingang traf der österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim am frühen Sonntagmorgen zusammen mit 95 vom irakischen Staatschef Saddam Hussein freigegebenen Österreichern in einer Sondermaschine auf heimischem Boden ein.

Fortuna hatte es gut mit dem umstrittenen Bundespräsidenten und Ex-UNO-Generalsekretär gemeint, der ob seiner militärischen Vergangenheit in der deutschen Wehrmacht in den USA zur „persona non grata“ erklärt wurde und seine bisherige Amtszeit in weitgehender politischer Isolation fristen mußte. Innerhalb weniger Stunden wurde aus der diplomatischen Last Waldheim der Volksheld Waldheim. Innenpolitische Beobachter waren sich einig: Der Erfolg für Waldheim ist auch ein Erfolg für das konservative Lager.

Die Freilassung der Österreicher sei eine „sehr schöne Geste“ Saddam Husseins gewesen, meinte Waldheim und fügte eilig hinzu: „Österreichische Zugeständnisse hat es dabei nicht gegeben.“ Waldheim, der sich für einen Dialog mit der irakischen Führung aussprach, sagte, er habe „verschiedene Ideen besprochen“, wie eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern sei. Die Lage in Bagdad beschrieb er als relativ ruhig. Er habe nicht den Eindruck von Kriegsstimmung gewonnen. Sichtlich erschöpft, aber glücklich folgten dem Präsidenten die der Geiselhaft Entronnenen.

„Man muß wirklich stolz sein, Österreicherin zu sein und so einen Bundespräsidenten zu haben“, kommentierte eine glückliche Angehörige das Ende der ebenso spektakulären wie umstrittenen Aktion. Unbeschadet des innenpolitischen Erfolgs muß sich Waldheim nun freilich den Vorwurf gefallen lassen, aus der internationalen Solidaritätsfront gegen den Irak ausgeschert zu sein. Denn eine Ausreise von Bürgern anderer Nationen konnte der Wiener Präsident offenbar nicht erwirken.

Westliche Politiker hielten mit ihrer Kritik an der österreichischen Soloeinlage denn auch nicht hinter dem Berg zurück. „Solche Initiativen“, so der belgische Außenminister Marc Eyskens, „könnten sich als Falle erweisen. Ein 'Rette sich, wer kann‘, Land für Land, ist kein wirksames Mittel zur Lösung solcher Krisen.“ Ähnlich reagierten auch die Bonner Sozialdemokraten. Mit seiner angeblich humanitären Aktion habe Waldheim dem irakischen Diktator Vorschub geleistet, unter den Geiseln zu selektieren, erklärte gestern Norbert Gansel, Nahostexperte der SPD-Fraktion. „Ein humanitärer Erfolg auf Kosten anderer“, meinte Gansel, „ist ein schlimmer Bruch der notwendigen internationalen Solidarität.“

Auch die bereits im Vorfeld der Reise speziell von Bundeskanzler Vranitzky und österreichischen Zeitungskommentatoren geäußerte Befürchtung, Saddam Hussein könnte den Besuch Waldheims zu propagandistischen Zwecken ausnutzen, ging prompt in Erfüllung. Der Bagdader Präsident ließ keine Möglichkeit ungenutzt, um vor der Presse die Endgültigkeit der „Heimholung Kuwaits“ zu bekräftigen. „Waldheim ist ein weiser Mann“, erklärte Saddam Hussein den zahlreichen österreichischen Journalisten in Bagdad und fügte hinzu: „Ich freue mich über jeden, der kommt, um zu reden.“ Erneut geißelte er die Anwesenheit der Amerikaner im saudischen Königreich: „Was würden Sie sagen, wenn Moslems den Vatikan besetzen würden?“

Völlig überraschend kam der Erfolg Waldheims aber für niemanden. Im Gegensatz zu anderen Weltregionen war er in der arabischen Welt stets ein gern und häufig gesehener Gast. Ein Wiener Politologie meinte zur Reisediplomatie des Präsidenten sarkastisch: „Würde man die geographische Lage Österreichs an Hand der Reisen unseres Herrn Bundespräsidenten bestimmen, dann müßte unsere Republik irgendwo zwischen Syrien, Jordanien und dem Irak liegen.“

Walter Saller