Mehr Geburten, weniger Abtreibungen

■ Erfolgsmeldung für liberale Handhabung des § 218 in Bremen / Gesundheitssenatorin für Fristenlösung

„Ich bin wild entschlossen, alles zu tun, damit hier nicht aus ideologischer Erstarrung die Not der betroffenen Frauen noch größer wird.“ Kämpferisch mischte sich hier bitte eine Grafik

gestern Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger in die Diskussion um einen gesamtdeutschen § 218 und berief sich dabei auf die „guten Erfahrungen“ mit der liberalen Bremer Interpretation der Fristenregelung. Pünktlich zur neuen §-218-Diskussion präsentierte Rüdiger gestern einen statistischen Erfahrungsbericht über dessen „Vollzug im Lande Bremen“ in den Jahren 1977-1988.

„Gerade bei einer liberalen Praxis - und Bremen ist dafür bundesweit vorbildlich - kann die Zahl der Abbrüche sinken und die der Geburten steigen“, faßte die Gesundheitssenatorin ihren Bericht zusammen. Tatsächlich hatte sich bis 1984 ein stabiles Verhältnis herausgebildet: Rund 2/3 aller Schwangerschaften endeten mit einer Geburt, 1/3 mit Abtreibung. Doch in den vergangenen vier Jahren nahmen die Ge burten stetig zu und die Abtreibungen wurden weniger. Und das, obwohl sich immer mehr Frauen in Sachen Schwangerschaftsunterbrechung beraten lie ßen (vgl. die beiden Grafiken).

Die liberale Handhabung der Beratung vor allem bei „Pro Familia“ führte auch dazu, daß der Anteil auswärtiger Frauen an Beratung und ambulanter Abtreibung auf inzwischen über 60 Prozent gestiegen ist. 93 Prozent aller Abbrüche werden in einer der 14 zugelassenen Bremer Einrichtungen ambulant vorgenommen, hier bitte die andere Grafik

nur in rund 0,5 Prozent der Fälle gab es dabei Komplikationen.

Bundesweit liegt die erfaßte Zahl der jährlichen Schwangerschaftsabbrüche seit 1984 relativ konstant bei 85.000, in Bremen waren es zuletzt 1984 insgesamt 4.852, 95 Prozent davon mit der Indikation „schwere Notlage“. 39 Prozent der Frauen, die 1988 in Bremen eine Schwangerschaft unterbrechen ließen, waren verheiratet, rund ein Drittel unter 25 Jahre alt.

Langfristig komme nur ein § 218 ohne Beratungszwang in Frage, faßte Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger gestern ihre Folgerung aus den Bremer Erfahrungen zusammen. Kurzfristig müsse für eine Übergangsregelung gesorgt werden, die aber auf keinen Fall, wie von den Männern der Bonner CDU-CSU-FDP -Koalition gewünscht, nach dem „Wohnortprinzip“ funktionieren dürfe. „Damit wäre der Denunziation Tür und Tor geöffnet“, meinte Rüdiger, eine solche Lösung sei „ideologisch total bor niert“ und würde auf jeden Fall im Bundesrat scheitern. Denn dort würde Bremen zusammen mit den anderen sozialdemokratisch re

gierten Ländern einen Einigungsvertrag mit dem „Wohnortprinzip“ auf keinen Fall durchgehen lassen.

Ase