Die Potsdamer wollen noch ein Schloß

■ Die Stadtverordnetenversammlung soll am 12. Dezember eine Absichtserklärung beschließen, das alte Stadtschloß wiederaufzubauen / Das Schloß wurde 1959 eingerissen - auf den Fundamenten steht die Bauruine des neuen Theaters

Potsdam. Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses wird derzeit ernsthaft diskutiert. Abgerissen wurde das Schloß 1959, obwohl die Kriegszerstörungen reparierbar waren und alle denkmalpflegerischen und kunsthistorischen Argumente für einen Wiederaufbau sprachen. Aber Ende der fünfziger Jahre sollte Potsdam zu einem neuen sozialistischen Zentrum werden, und die Erinnerung an Preußens Glanz und Gloria störte in dem Konzept des sozialistischen und architektonischen Neuanfangs. Trotz Gutachten von in der DDR renommierten Kunsthistorikern und Architekten, die die Kosten einer Restaurierung auf damals 9,9 Millionen DM veranschlagten, und trotz einer Geldsammlungsinitiative des „Kulturbundes“ wurde das Schloß für zwei Millionen DM eingerissen.

Wertvolle Plastiken und bearbeitete Sandsteinquader landeten im örtlichen Steinbruch und wurden zermahlen. Denkmalschützer versuchten noch zu retten, was zu retten war. Sie bewahrten einzelne Kunstschätze vor der Abrißwut und versteckten die Funde in unzugänglichen Forsten der Umgebung. Ein Teil dieser Schätze wanderte später in die Obhut der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam -Sanssouci, ein anderer Teil liegt heute noch, von Gras überwachsen, in einem eingezäunten Teil in der Nähe des Potsdamer Wildparkes. Das Engagement für die Erhaltung des Schlosses bezahlten viele Denkmalpfleger in den sechziger Jahren mit beruflichen Nachteilen, in einem Fall sogar mit einer Gefängnisstrafe. Denn wer damals für das Schloß sprach, widersprach der Deutschen Demokratischen Technokratie. Bis heute verschweigen die DDR-Kunstführer die Umstände des nur ideologisch motivierten Abrisses.

Auf dem ehemaligen alten Markt von Potsdam, der mit Schinkels Nikolaikirche, dem Rathaus (heute Kulturhaus), dem Stadtschloß und dem heute ebenfalls verschwundenen Palast Barberini als einer der schönsten Plätze Europas galt, wurden in den sechziger Jahren neue Häuser für den neuen Staat gebaut. Das erste Interhotel der DDR entstand dort, und ausgerechnet auf den Fundamenten des alten Stadtschlosses wurde ein neues Theater geplant. Die Verwirklichung dieser Untat dauerte allerdings eine geraume Zeit, heute ärgern die 28 Meter hohen grauen Betonkerne der Neubauruine die Potsdamer und alle Besucher. Das Theaterrudiment soll abgerissen werden, sagen sie, ein Theater kann ebensogut an anderer Stelle gebaut werden, eventuell am „Neuen Markt“. Wiederaufgebaut werden soll an dieser Stelle zumindest das weltberühmte Fortunaportal des Stadtschlosses, Geschenk der Stadt zur Krönung des Kurfürsten Friedrich III. zum ersten preußischen König.

Nach Ansicht von Horst Prietz, Vorsitzender des Kulturausschusses der Stadtverordnetenversammlung, haben westliche Potsdam-Investoren, darunter die Lufthansa, das Hotel Kempinski und die Commerzbank, Interesse an dem Projekt zum teilweisen Wiederaufbau geäußert. Hinter der Originalfassade des 1701 von Jean Bodt gebauten Portals soll, wie Prietz am 12. September der Stadtverordnetenversammlung vorschlagen will, ein Hotel entstehen. Die teilweise Wiederentstehung des Schlosses ist, wenn es nach Prietz geht, nur der Beginn der Wiederherstellung des alten Platzes. Auch der Palast Barberini, zwei Bürgerhäuser nach römischem Vorbild, sollen in aller Pracht neuentstehen. „Unsere Generation“, meint der umtriebige Kulturpolitiker, „hat die Chance, die Wiederherstellung des historischen Ensembles zu beginnen“.

aku