Ein Video für den Parteiführer

■ Bei einem Überfall auf vier Vietnamesen filmten Skinheads ihre Opfer / Ein Schwerverletzter, drei Leichtverletzte / Kritik von Ausländer- und Polizeibeauftragten an Ermittlungsmethoden der Polizei

Ost-Berlin. Die Meldung aus dem Polizeirapport umfaßte gerade einmal elf Zeilen: Vier Vietnamesen am 21. August gegen ein Uhr morgens in der S-Bahn von Jugendlichen zusammengeschlagen und ausgeraubt. Ein Füller für die Kurzmeldungsspalten der Zeitungen. Erst die hartnäckigen Nachfragen der Ostberliner Ausländerbeauftragten gaben Aufschluß über den Tathergang - und die Ermittlungen der Polizei.

Das Vorgehen der Skinheads ist mittlerweile bekannt: Kurz vor dem Schließen der Türen sprangen etwa zehn Jugendliche, zum Teil mit glattrasierten Köpfen, in den Waggon. Außer den vier Vietnamesen befanden sich nur noch zwei weitere Fahrgäste im Abteil. Die Jugendlichen schlugen mit Holzstöcken auf die vier ein, einer bedrohte sie mit einem Beil. Während seine Kumpane prügelten, nahm einer der Täter die Opfer mit einer Videokamera auf und kommentierte das Geschehen mit der Bemerkung: „Das ist ein guter Bericht, der Parteiführer wird zufrieden sein.“ An der Haltestelle Nöldnerplatz verließen die Jugendliche die S-Bahn und flüchteten über die Gleise.

Drei Leicht- und ein Schwerverletzter, so lautete das Fazit dieses Überfalls. Von den Tätern fehlt jede Spur. Wie die Polizei gegenüber dem Mitarbeiter der Ausländerbeauftragten, Dr. Huong, einräumte, wurden im Waggon keine Spuren gesichert, statt einer Eilfahndung wurde eine Allgemeinfahndung veranlaßt, die beiden Zeugen wurden erst Tage später über die Presse aufgerufen, sich bei der Polizei zu melden.

Der Fall, so Huong, sei symptomatisch für den polizeilichen Umgang mit rassistischen Übergriffen gegen AusländerInnen. Nachfragen von Mitarbeitern des Ostberliner Polizeibeauftragten Ibrahim Böhme bei der zuständigen Polizeidienststelle bestätigten die schlampige Ermittlungsweise. Nach dessen Auffassung liegt in diesem Fall der Verdacht auf ein Verbrechen gemäß dem Strafgesetzbuch vor. Entsprechend hätte ermittelt werden müssen. Doch „außer der Anzeigenaufnahme erfolgte offensichtlich gar nichts“, lautete das Resümee des zuständigen Mitarbeiters.

Auf Nachfrage der taz stellte sich heraus, daß bei der Volkspolizei zwar Zahlen über straffällige Ausländer zu erhalten sind, nicht aber eine Statistik über Übergriffe auf Ausländer geführt wird. Solche Überfälle würden lediglich nach Art der Delikte registriert. „Sicher ein Mangel“, wie Pressesprecher Gallas zugab, „aber im Moment ist das eben so.“

Im Büro der Ausländerbeauftragten Anetta Kahane will man dem Polizeiverhalten auf zwei Wegen zu Leibe rücken. Durch Druck via Polizeibeauftragten und Polizeipräsidenten, aber auch durch Gespräche und Schulungen an der Basis: in den Revieren und bei den Streifenpolizisten (siehe auch Interview). Erwogen wird im Büro Kahane auch die Einrichtung eines Notruftelefons für Ausländer.

Andrea Böhm