Bundeswehr am Golf: „Mit der UNO leichter zu verkaufen“

■ Eberhard Möschel, Oberst im Generalstabsdienst und Dozent für Militärstrategie, äußert sich über die Bundeswehr und den Golfkonflikt

INTERVIEW

taz: Die Frage, ob bundesdeutsche Truppen außerhalb des Nato-Gebiets eingesetzt werden sollen, ist sowohl unter Verfassungsrechtlern als auch bei den Bonner Parteien heftig umstritten. Jetzt ist die Entscheidung gefallen, erst nach einer Verfassungsänderung „out of area“ aktiv zu werden. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Eberhard Möschel: Ich bewerte die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt als gut, denn der Einsatz der Bundeswehr, ob im Ostmittelmeer oder im Golf, war bereits ein Mittel des vehement einsetzenden Wahlkampfes. Und eine Frage von solch grundsätzlicher Bedeutung für unsere Sicherheitspolitik kann nicht in einer Atmosphäre des Wahlkampfes gelöst werden.

Die USA fühlen sich aber im Stich gelassen.

Gerade im Zusammenhang mit dem deutschen Einigungsprozeß ist das ein sehr sensitives Problem. Denn wir haben es vor allem der annähernd vorbehaltlosen Unterstützung der USA zu verdanken, daß zahlreiche europäische Einwände und Vorwände gegen die deutsche Einheit an die Seite gerückt wurden. Die Bush-Administration hat Deutschland als den Hauptverbündeten in Europa auserkoren. Und aus dieser Funktion erwarten die Amerikaner, auch das Wahlvolk, eine sichtbare Unterstützung seitens der Deutschen.

Langfristig sollen Bundeswehrstreitkräfte also außerhalb des Nato-Gebiets agieren?

Ich bin der tiefen Überzeugung, daß Europa, und wir Deutschen werden ja ein wesentlicher Teil dieses Europas sein, nicht an irgendwelchen Meridianen oder Wendekreisen stoppen kann, wenn es um die Sicherung der Freiheit der Handelswege, Freiheit der Import- und der Exportlinien geht.

Könnte die Bundeswehr die Lage am Golf entscheidend beeinflussen, oder hätte ihr Eingreifen lediglich Symbolcharakter?

Also so klein sind wir nun nicht. Die Welt-, Super-, und Nuklearmacht Amerika stellt immer wieder fest, daß sie für solche regionalen Konflikte ihre Streitkräfte nicht genügend strukturiert hat. Deshalb die spezielle Hoffnung auf die Deutschen, die mit ihren weltweit bekannten und fortschrittlichen Minenkampf- und Minenräumkapazitäten einen Bereich abdecken, den die Amerikaner in ihrer bisherigen Marinerüstung offensichtlich vernachlässigt haben.

Die Rolle der Weltpolizistin bekleideten bisher die USA und nicht die UN-Truppen, bei denen Bundeswehreinheiten dabei sein könnten.

Wenn wir sagen, das Ganze soll unter der Schirmherrschaft der UNO stattfinden, dann ist das politisch viel leichter zu verkaufen. Wichtig in solchen Krisen ist die Führerschaft; einer muß hier zeigen, wo es langgehen sollte. Beim Sicherheitsrat, das zeigt sich in der Ausgestaltung der Blockade, habe ich eben meine Zweifel, ob hier diese Leadership von vornherein gegeben ist. Wenn wir uns außerhalb der UNO nur an die einzig verbleibende Weltmacht USA halten, laufen wir Gefahr, uns zum Komplizen einer vor allem amerikanischen Sache zu machen, die uns in den übrigen Teilen der Welt nicht zum Vorteil gereicht.

Was würden für Kosten entstehen, wenn sich die Bundeswehr an UN-Truppeneinsätzen beteiligte?

Wenn Sie daran denken, daß die Bundesmarine bei ihren Fahrten ins Mittelmeer auf zwei Versorgungsschiffe angewiesen ist, die mit dem Beginn des nächsten Jahres eigentlich im Zuge der Reduzierung ausgemustert werden sollten, wird deutlich, daß eine solche Sache nicht zum Nulltarif zu haben ist.

Wäre es da nicht eine Chance für die Bundesrepublik, wegen des Unheils, das in diesem Jahrhundert von deutschen Streitkräften ausging, die Bundeswehr auf das Nato-Gebiet beschränkt zu halten?

Diese Frage kann nur von Deutschen gestellt werden. Das Ausland nimmt uns diese Fragestellung nicht ab und betrachtet dies als eine vorgeschobene Entschuldigung, sich nicht engagieren zu müssen.

Interview: Ina Kerner