Der alltägliche Horror

In Deutschland gibt es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS), die uns davor schützt mit der allzu drastischen Darstellung fiktiver Gewalt in Berührung zu kommen. Sie sind sehr gewissenhaft und verbieten auch schon mal eine Schwarzwaldklinik. Ähnliche Einrichtungen gibt es in anderen Ländern. Doch nirgendwo gibt es eine Behörde, die uns vor dem täglichen realen Horror, der einem überall begegnet, schützt:

Die Französin Madeleine Laroche lebte zweieinhalb Jahre mit ihrer toten Mutter zusammen. Die Polizei fand das Skelett der alten Dame zwischen Bergen von Müll. Im Zuge der Hitzewelle hatten sich Nachbarn über

den unerträglichen Gestank beschwert, der aus dem kleinen Haus drang. Madame Laroche bat die Polizisten, man möge ihr die Leiche „noch zwei Tage“ lassen...

In einem anderen Ort in Frankreich, im Alpendepartement Isere, brach das Grauen in eine ausgelassene Familienfeier ein. Einem Nachbarn ging der Lärm auf die Nerven. Er schnappte sich eine Motorsäge und stürzte sich auf die fröhliche Runde. Drei der Gäste sprangen vor Schreck aus dem Fenster der Wohnung im ersten Stock. Ein 19jähriger wurde von dem Sägeband schwer am Arm verletzt, zwei weitere kamen mit geringen Schnittwunden davon. „Das war wie in einem Horrorfilm“, berichtete entsetzt einer der Augenzeugen. Der 53jähriger Täter, der bis dahin ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn hatte, wurde in eine psychiatrische

Klinik eingeliefert.

Selbst beim Sport oder bei einem Arztbesuch kann einem das Grauen begegnen. So endete in Italien eine sportliche Krähenjagd mit dem Tod von fünf Menschen. Beppino Parisoli und sein Freund Giovanni Landini

wollten eine lästige Krähe abknallen. Parisoli erwischte mit seinem (für Wildschweinjagden geeigneten) Jagdgewehr den Vogel, traf mit dem Schuß aber auch seinen Gefährten. Ein Rettungshubschrauber sollte den Schwerverletzten ins Krankenhaus bringen. Doch bei Regen und Nebel zerschellte der Helikopter an einem Felsen. Für den verletzten Jäger, den Piloten, eine Notärztin und zwei Krankenpfleger kam jede Hilfe zu spät...

Einem Zahnarzt in Lüneburg passierte ein kleines berufliches Mißgeschick. Er sollte einem Müllkutscher einen vereiterten Backenzahn ziehen, statt dessen verpaßte der Kieferchirurg und Universitätsprofessor seinem Patienten eine Vollnarkose und entfernte ihm alle 25 Zähne. Der Doktor gibt den „Kunstfehler“ zu.

Karl Wegmann