Die neuen Leiden der Unternehmer

■ Der Ostberliner Wirtschaftsstadtrat Pieroth (CDU) lud DDR-Unternehmer zum Sorgenanhören in seine Amtsräume / Facharbeiter wandern ab, der Einzelhandel boykottiert, die anderen Firmen zahlen nicht

West-Berlin. „Es ist besser, sich bei Siemens einen Auftrag zu holen, als hier die Zeit zu verlieren“, meinte der Ostberliner Wirtschaftsstadtrat Pieroth (CDU) verständnisvoll zu einem Firmensprecher. Denn dessen Chef war eben bei Siemens und nicht bei Pieroth, der gestern ein knappes Dutzend Vertreter von DDR-Firmen zu sich geladen hatte, um sich deren Probleme mit der freien Marktwirtschaft anzuhören. Und da gab es viele. Die Exporte in die RGW -Länder des ehemaligen Ostblocks sind bei vielen Firmen drastisch zurückgegangen, schon wegen des gesunkenen Rubelkurses. Auch der Verkauf im eigenen Land läuft schlecht. Die HO-Läden hätten zum Teil ein „Einkaufsverbot für DDR-Waren“, stellte ein Modelleisenbahnhersteller fest. Zudem zahlten viele DDR-Firmen nicht, so daß Zulieferbetriebe, die selber keine Probleme haben, in Mitleidenschaft gezogen werden. Schwer ist es auch für Firmen, die an Kommunen liefern. „Die Kommunen bestellen nichts mehr, weil sie kein Geld haben und weil ihnen die West-Fahrzeuge besser gefallen“, meinte ein Hersteller von Nutzfahrzeugen. Eine Kühlschrankwartungsfirma arbeitet nun in West-Berlin, andere müssen Kurzarbeit anmelden oder sich andere Aufgaben suchen. „Wir rüsten derzeit Brötchenzählmaschinen in der ganzen DDR von großen auf kleine Brötchen um“, erheiterte ein Waschmaschinenproduzent die Runde.

Ein weiteres Problem sei das Lohnniveau in der DDR. Einerseits könne man mit den Billiglohnländern, in denen viele BRD-Waren produziert werden, nicht mithalten. Andererseits seien aber die DDR-Löhne immer noch so niedrig, daß Facharbeiter nach West-Berlin abwanderten. Ein Unternehmer regte an, der Staat solle Lohnzuschüsse für Fachkräfte zahlen. Beschwerden gab es auch über das frühkapitalistische Verhalten der städtischen Wohnungsverwaltung. „Wir wollten einen Laden in der Leipziger Straße mieten und jetzt hieß es, der würde nun 90 DM pro Quadratmeter kosten“, erzählte ein Hersteller von Strickmoden. Die „Spreewaffel GmbH“ sollte 60 DM pro Quadratmeter für einen Keller im dritten Hof zahlen. Unter „Altlasten“ stöhnen viele, nämlich unter den hohen Schulden, die sie aus volkseigenen Zeiten übernehmen mußten, aber auch über die Treuhand, der viele der Betriebe gehören. Die sei zu unflexibel.

Pieroth nahm dies alles freundlich zur Kenntnis. Die Anregung eines Lohnkostenzuschusses nehme er gerne mit, für die ganze DDR sei das natürlich nicht möglich. Auch eine Bezuschussen von RGW-Exporten sei eine Illusion. Mut machte Pieroth, was die künftigen Aufträge von Kommunen angehe: „DDR-Kommunen sind reich verglichen mit Westdeutschen, die hatten nämlich bisher noch keine Möglichkeit, Schulden zu machen.“ Was die Schulden der Betriebe angehe, solle die Treuhand sie übernehmen und in Einzelfällen ganz erlassen.

esch