SPD macht Umweltpolitik

■ Bundesdeutsche Fehler in der Umweltpolitik sollen in der DDR nicht wiederholt werden / Katastrophale Umweltschäden im Buna-Kombinat bei Halle

Das Straßenschild an der Ausfahrt vom ehemahligen Chemiekombinat Buna ist mit grauem, dickem Staub überzogen. Verborgen bleibt, daß die Stadt Halle nur wenige Kilometer entfernt liegt. Fensterscheiben sind schwarz vom Ruß und Staub, den die Carbidproduktion in der Umgebung verteilt. Letztes Jahr hat Buna 40.000 Tonnen Staub in die Luft geblasen. Buna, eine tote schwarze Stadt, in der der Rauch der Schornsteine das einzige Lebenszeichen bleibt. „Gespenstisch“, der Kommentar des umweltpolitischen Sprechers der SPD-Baden-Würtembergs, Ulrich Brinkmann, der am Montag mit SPD-Kollegen aus allen Bundesländern das Chemiekombinat Buna besichtigte.

Staub ist nicht das einzige Problem in Buna: die Böden sind mit Quecksilber verseucht, das Bunaer Braunkohlekraftwerk belastet die Luft mit Schwefeldioxid, das Saalewasser zieht dicke Schlieren, weil Buna die Abwässer ungeklärt einleitet. Nichtsdestotrotz versuchen Betriebsrätin Ingrid Häusler und Pressesprecher Gerhard Dorendorf von der Buna AG Optimismus zu verbreiten: die Kautschukproduktion sei rentabel und die Herstellung von Aldehyden zukunftsträchtig. Hoffnungsträger ist die bundesdeutsche Hüls AG, der Staat soll die Altlasten tragen. Ob die Rechnung aufgeht? Ein westdeutscher Partner müßte sicher einen Teil der Kosten für die Altlastenbeseitigung übernehmen, und das hält die Investoren fern.

„Man müßte auf unbelastetem Gelände eine neue Firma aufbauen und in der Zwischenzeit die Arbeitskräfte umschulen“, sagt Elke Lindemann von der SPD -Volkskammerfraktion. Nur müßte die Entscheidung aus der Wirtschaft kommen und bis dahin weiß niemand, welche Berufe überhaupt gebraucht werden. Für 17.000 Mitarbeiter der Buna AG steht im Moment der Kampf um den Arbeitsplatz im Mittelpunkt. 10.000 arbeiten kurz, 7.000 müssen entlassen werden. In den rentablen Bereichen sind weniger als 1.000 Chemiearbeiter beschäftigt.

„Wenn man nicht aufpaßt, wird der wirtschaftliche Nachholbedarf den ökologischen Bereich erschlagen“, sagt Werner Gessler von der Bund-Länder-Koordinationsstelle der SPD. Wenn das Geld aus dem Westen komme, müsse der auch bestimmen dürfen, wofür es verwendet werde. Die SPD will statt Straßenbau den Schienenbau fördern, auch wenn das in krassem Gegensatz zum Trend „schnelles Auto“ in der DDR steht. „Es ist ja nicht notwendig, daß dieselben Fehler gemacht werden, wie in der Bundesrepublik.“ Alleenbäume dürften auf keinen Fall dem Straßenbau zum Opfer fallen. „Natürlich werden sie die Bäume fällen“, setzt Elke Lindemann dagegen. Das Umweltbewußtsein in der DDR sei auf dem Stand der sechziger Jahre. Ob nun gleich bundesdeutsche Maßstäbe in der DDR angesetzt werden können, darüber ist sich die West-SPD noch nicht einig. Ins umweltpolitische Konzept der West-SPD sollen die Eindrücke aus Buna einfließen. Massive Energieeinsparungen werden gefordert, Umweltsünder sollen künftig durch Gebühren für den Schaden selber aufkommen. „Es war interessant, die Stimmung und die Lage vor Ort in der DDR zu sehen“, begründet Gessler die Fahrt der West-SPD. Den „zweiten ökologischen Ausverkauf der DDR“ will die SPD verhindern. Was nehmen die Umweltsprecher mit in die Länder? Der Saarländer Rainer Tabillion hat mit drei alten Eisenhütten dieselben Entsorgungsprobleme. „Wenn der Staat die Altlasten der DDR trägt, werden wir auf gleichberechtigung drängen. Dann soll der Staat auch unsere Altlasten bezahlen.“ In Rheinland-Pfalz, so Umweltsprecher Clemens Nagel, sind bis jetzt 1.100 Altlasten erfaßt, die dringend entsorgt werden müßten. Ebenso wie in der DDR soll deren Entsorgung in Rheinland-Pfalz Vorrang bekommen. Auswirken wird sich das für den Steuerzahler, der das mitfinanzieren muß. Hans Kolo aus München hat den Eindruck, daß „die eine Milliarde, die Umweltminister Töpfer für den Umweltschutz in der DDR investieren will, nicht ausreicht“. Die bundesdeutschen Politiker kehren - zu Recht - vor der eigenen Haustür. Solange wächst in Buna nichts schneller als die Staubkrusten an Hauswänden, auf Rohrleitungen und Straßenschildern.

Karin Mayer