West-Berlin wackelt bei Fristenregelung

■ Schert der Berliner Senat bei der Frage des Wohn- oder Tatortprinzips zugunsten der CDU aus?

Bonn/Berlin (taz) - Zweideutig bleibt die Haltung des rot-grünen Westberliner Senats im Streit um die künftige Abtreibungsregelung. Seit Freitag steht die Möglichkeit im Raum, daß Berlin und Nordrhein-Westfalen aus der Reihe der SPD-Bundesländer ausscheren und gemeinsam mit den CDU -Ländern dem Einigungsvertrag trotz des Wohnortprinzips zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Im Senat sprach man am Montag von einigen „Zuckerln“ im bisherigen Vertragsentwurf, die Berlin schwankend machen könnten. Der Senat vertagte gestern aber eine Entscheidung über die Frage, wie er sich im Bundesrat verhalten würde. Man werde die „Dynamik“ der weiteren Verhandlungen abwarten, sagte Senatssprecher Werner Kolhoff. Für den Regierenden Bürgermeister Walter Momper sind die berlinpolitischen Regelungen im Vertrag nach den Worten des Sprechers „im großen und ganzen befriedigend“. Er nannte unter anderem die Klausel über die Hauptstadt, die gemeinsame Stadtregierung, die Berlin ab dem 3.Oktober bekommen soll, und Zusagen des Bundeskanzlers, daß die finanziellen Hilfen für Berlin „nicht so schnell abgebaut werden“. Vor allem die Frauen im Senat hätten jedoch auf die Probleme des Wohnortprinzips hingewiesen. „Schwere Bedenken“ habe Momper auch gegen die Änderung der Stimmenverhältnisse im Bundesrat zuungunsten der DDR-Länder. Genau diese Regelung dient der Bundesregierung dem Vernehmen nach dazu, Nordrhein-Westfalen zu ködern und zu einem Ja zum Staatsvertrag zu bewegen.

Um den Streit über das Wohnort- bzw. Tatortprinzip herrschte gestern in Bonn Funkstille. Im Koalitionsgespräch spielte das Thema Abtreibung keine Rolle. Zu Wort meldete sich allerdings der Landesgruppenchef der CDU, Wolfgang Bötsch, und die beiden „Spitzen„-Frauen der FDP, Cornelia Schmalz-Jacobsen und Irmgard Adam-Schwaetzer. Beide Frauen bekräftigten noch einmal die Linie, die gestern Herr und Meister Otto Graf Lambsdorff ausgegeben hatte. Adam -Schwaetzer schlug vor, aus dem zweiten Staatsvertrag das vereinbarte Wohnortprinzip zu streichen. Schmalz-Jacobsen erläuterte die neue Linie der Liberalen. In der Koalition gelte die Regelung, daß bei Uneinigkeit die derzeitige Rechtslage gelte. Dies bedeute nach Ansicht der FDP das Tatortprinzip. Der Justitiar der CDU/CSU-Fraktion, Langner, hielt jedoch dagegen, daß es im BRD-Strafrecht beide Prinzipien gebe. Nach „herrschender Meinung“ finde das Wohnortprinzip bei der Strafbarkeit von Abtreibungen auch im Verhältnis zur DDR Anwendung.

Härte markierte CSU-Mann Bötsch. Seine Partei wolle strikt am Beschluß der Koalition festhalten. Darin war eine zweijährige Übergangszeit beschlossen worden, in der für das Gebiet der ehemaligen DDR die Fristenregelung weiterbestehen soll. CDU und CSU wollen dabei für die bundesdeutschen Frauen das Wohnortprinzip festschreiben. Danach macht sich eine Frau mit Wohnort in der BRD nach dem bundesdeutschen Pargraphen 218 strafbar, wenn sie in der DDR eine Abtreibung vornehmen läßt.

lu/Hmt