taz auf Raum-Patrouille

■ Sind die Werkswohnungen der Silberschmiede im Kirchweg noch zu retten? / taz-Serie, 9. Teil

Gegenüber von den phantasielosen Wohnblocks im Neustädter Kirchweg stehen seit mehr als 14 Monaten fünf kleine Reihenhäuschen aus der Zeit des Historismus leer: Die Nummern 190-198. In der Denkmalliste, die vom Landesdenkmalpfleger im Februar veröffentlicht wurde, sind sie als denkmalgeschützt ausgewiesen: Der Bremer Architekt Fritz Dunkel hat sie als Werkswohnungen zusammen mit der dahinter liegenden Silberschmiede „Koch & Bergfeld“ vor 160 Jahren entworfen. Jetzt sollen sie abgerissen werden. „Das Verfahren ist angeschoben und zu einem Abschluß gekommen“, erklärte Gottfried Koch, der langjährige Besitzer von Häusern und Silberfabrik, gestern. Vor 14 Monaten hatte er seinen maroden Betrieb an Villeroy & Boch verkauft. Seither ist Koch nur noch Geschäftsführer in dem Betrieb.

Zur Geschäftsübergabe hatte Koch die Häuschen bereits leergemietet. Seither wird lediglich eines der Häuser noch als Lagerraum genutzt. Doch auch dieser letzte Mietvertrag wurde zum 31. August gekündigt. In der Nachbarschaft wird mittlerweile über den 15. September als Abrißtermin spekuliert.

„Wenn man die Häuser erhalten will, muß jetzt etwas passieren“, fordert deshalb Carsten Meyer, Sprecher der Stadtbild-Initiative zur Entwicklung und Erhaltung der Baukultur. Die Planungswerkstatt, die im benachbarten Buntentorsteinweg einen ebenfalls „als nicht erhaltenswert“ eingestuften Bauernhof für Jugendliche BewohnerInnen saniert hat, will jetzt schnellstmöglich eine Gebäudesubstanzbewertung erstellen. Die Werkswohnungen der Silberschmiede sind nach Angaben des Besitzers „nicht erhaltenswert“, weil der Sanierungsaufwand viel zu hoch sei. Ex-Besitzer Koch: „Daß sich das nicht rechnet, haben wir schriftlich vorliegen.“ Schon vor über einem Jahr habe er die Häuser der Sozialbehörde angeboten (Koch: „fünf Jahre mietfrei“), doch die habe angesichts der Kosten genauso abgewinkt wie die Bremische. „Die Frage von Interessenten und Nutzung ist abgeklärt. Es gibt keine neuen Vorschläge“ betont der Villeroy & Boch-Geschäftsführer. Er besteht im übrigen auch darauf, daß „diese Häuser nie unter Denkmalschutz gestanden haben.“ Lediglich die Fabrik mit ihren Betriebsflügeln, mit Eingangstor und Remisen stehe seit über zehn Jahren unter Schutz. Die Häuser können seiner Meinung nach künftig auch nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt werden weil der Bebauungsplan das Gebiet eindeutig als Gewerbefläche ausweise. Koch betont darüber hinaus,

daß es in seiner Firma noch keine konkreten Pläne für das Gebiet gebe. Päsentationsräume für Villeroy & Boch, die ja außer Geschirren und dem Bremer Tafelsilber auch Sanitäranlagen produzieren, seien allerdings „schon mal“ im Gespräch gewesen.

Der gesamte Beirat hatte sich übrigens wiederholt für den Erhalt der Häuser eingesetzt und auch dem Abrißantrag widersprochen. Das Bauordnungsamt hatte in der dann notwendigen Schlichtung dagegen den Abriß abgesegnet.

Weiß und gepflegt steht das Haus am Hemmelskamp 9 da - und erweckt den Eindruck, als sei es auf Dauer belegt. Doch das erste Urteil und die romantische Lage am Deich täuschen: Das Gebäude, zu dem außerdem zwei Garagen gehören, ist seit über einem Jahr, seit dem Tod seiner Besitzerin, nur sporadisch belegt.

Die Tochter der alten Frau, die hier zuletzt wohnte, kommt alle vier Wochen, um die Blumen zu gießen und das Haus in Schuß zu halten. Für den Rest der Zeit stehen die Räume leer.

Was weiter mit dem Gebäude geschehen soll, darüber können auch die Nachbarn keine Auskunft geben. Vermieten wollen die derzeitigen Besitzer nicht. „Sie sagten einmal, sie hätten es nicht nötig“, erklärt eine Nachbarin.

Anders liegt der Fall beim Nachbargebäude in der Nr. 11. Zwar steht das Haus ebenfalls leer - doch erst seit vier Wochen (seit dem Tod seiner letzten Bewohnerin). Die Erben haben vor, das Haus zu renovieren.

Eine Überholung scheint angebracht - denn von dem einst knallroten Anstrich ist nur noch ein leichter Hauch übrig geblieben, und „es fehlen vor allem sanitäre Anlagen“, berichtet die Nachbarin von nebenan. Bis zuletzt habe sie ein gutes Verhältnis zu der alten Frau gehabt, der das Geld zu einer Von-Grund-auf-Renovierung gefehlt habe.

ra/ka