Die rechten Fransen auskämmen

■ Die DSU hat in Berlin den Wahlkampf aufgenommen - und sucht händeringend nach Profil zwischen CDU, Reps, Deutschen Demokraten und anderen rechten Splittergruppen

West-Berlin. Über den wohlgeformten Bauch spannt sich eine Lederweste mit Deutschlandsticker, über den linken Arm eine Ordnerbinde. Der Mann von der DSU-Basis hat den gut gefüllten Bürgersaal des Charlottenburger Bürgersaales voll im Blick, auch die drei Jugendlichen mit Springer-Stiefeln und ohne Haartracht. „Macht kein Ärger, sonst fliegt Ihr raus.“ Zuhören sollen sie seinem Vorsitzenden, Hans-Joachim Walther, profilloser Vorsitzender der DSU, der bayerischen CSU-Schwesterpartei für die Brüder und Schwestern im Osten. Walther soll für den 2.12. Wähler mobilisieren - sehr zum Ärger der CDU auch in Gesamt-Berlin.

Ein begnadeter Rhetoriker ist der DSU-Partei- und Fraktionsvorsitzende wahrlich nicht, die Polemiken gegen die abtrünnigen Ex-DSU Minister Diestel und Ebeling kommen ihm eher lustlos über die Lippen. Erst als er im Redemanuskript auf ein paar anti-sozialistische Slogans stößt („Sozialisten können nur Geld ausgeben, aber keines verdienen“), ertönt verhaltener Beifall. Andere rutschen in dem stickigen Bürgersaal ungeduldig auf ihren Sitzen. „Is‘ aber alles nüscht neues“, raunzt ein älterer Herr in den hinteren Sitzreihen. Angriffe gegen den Wahlgegner CDU vermeidet Walther. Zur Hauptstadt Berlin kommt ein nüchternes Ja, zu den Attacken aus der bayerischen Landeshauptstadt gegen Berliner Hauptstadtpläne schweigt er sich aus.

Was Walther vor West-Publikum sichtlich zu schaffen macht, ist die DDR-Identität. Für mehr Recht und Ordnung in einem vereinigten Deutschland und gegen die reisenden Chaoten - da stimmt er mit West-CDU, CSU und „Republikanern“ überein. Als er sich im nächsten Atemzug aber „ausdrücklich gegen jede Form von Vermummungsverbot“ ausspricht, zuckt nicht nur der ältere Herr in der hinteren Reihe zusammen. Ihn besänftigt auch nicht mehr Walthers Hinweis auf die Demonstranten in Leipzig, Dresden und Berlin, die mit ihren „offenen, friedlichen“ Gesichtern das SED-Regime stürzen ließen.

Karl-Heinz Drogula, Dr. med. und Vorsitzender des Westberliner Landesverbandes, trifft die Gemütslage des Publikums schon eher. Dem Regierenden Bürgermeister Momper wirft er mangelndes Durchsetzungsvermögen gegen Umweltsenatorin Schreyer vor, der oppositionellen CDU „nicht zu überbietende Farblosigkeit“. Ergo: „Die DSU wird gebraucht.“ „Für wat denn?“ tönt es aus der hinteren Reihe.

Einem Mittvierziger steht mittlerweile der Schweiß auf der Stirn und der Frust im Gesicht geschrieben. Er hatte er sich doch ein bißchen mehr für die deutsche Seele, vor allem mehr Einsatz für „die deutschen Ostgebiete“ erwartet. Beifall für den Redner, Pfiffe für Walther. Ein anderer, Anfang zwanzig, will von Walther „eine klare Haltung“ und das Bekenntnis, daß am 3. Oktober „allenfalls West- und Mitteldeutschland vereinigt werden“. Als der Diskussionsleiter den Abend mit „Dank für die kontroverse Debatte“ beendet, ist zumindest einer mit sich im Reinen, der bislang zwischen „Republikanern“ und der DSU schwankte. „Die DSU“, schnaubt er, „ist doch ein Abklatsch der CSU - und das ist eine linksliberale Partei.“

anb