Unbekannte martialische Züge

■ betr.: "Lang lebe Saddam Hussein", taz vom 25.8.90

betr.: „Lang lebe Saddam Hussein“ (Henryk M.Broder),

taz vom 25.8.90

Obwohl zynisch, trifft die Analyse von Henryk Broder an vielen Punkten genau. Und die Liste der Organisationen etc., die Hussein etwas zu verdanken haben, ließe sich bis ins Uferlose fortsetzen.

Trotzdem fluche ich Salah Saddam, denn nicht der drohende Krieg erschreckt mich, sondern das weltweite Kriegsgeschrei, welches er auslöst. Berichterstattung der Medien, Gespräche unter Arbeitskollegen nehmen für mich unbekannte martialische Züge an.

Saddam kennt seine arabischen Brüder besser als jeder Nahost-Spezialist oder Intifada-Sympathisant, das Scheitern der Argumentation in der israelischen Linken („Ihr könnt mich mal“) ist symptomatisch für die westliche Fehleinschätzung der Situation in Palästina und den Gedanken/Gefühlen seiner Bewohner.

Nichts begriffen haben wir, und die Schlagzeilen im Medienwald besiegeln noch dazu das endgültige Versagen im Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit. „Hitler“ wird zum abstrakten Synonym für Diktatur, Kriegsgefahr und Überfälle im Morgengrauen - Hussein, der Hitler von Bagdad und Ernst Happel der Hitler des HSV. Die scharfe öffentliche Analyse zeigt uns, daß alles genau so ist wie vor 50 Jahren, und wenn wir nicht aufhören, über unsere eigene Geschichte zu grübeln, dann steht dieser Kerl wirklich plötzlich vor den Toren Kiels. (...)

Michael Dick, Hamburg (BRD)