„Mußt dich keck emanzipieren“

■ Frauen sind im Sport benachteiligt: Warum nicht das Geld zur Veränderung einfach aus dem Wehretat der Männer nehmen? Ein Forum der Grünen zeigt neue Ideen und praktische Ansätze

Bonn (taz) - „Deutsche Frau, dich ruft der Barrn. Denn dies trauliche Geländer fördert nicht nur Hirn und Harn, sondern auch die Muskelbänder.“ So dichtete Joachim Ringelnatz 1920.

Großlettrig war es auf einem Poster zu lesen, das den Hintergrund bildete für ein Forum der Bundestags-Grünen. „Frauen im Sport - Feministische Herausforderung oder Kontinuität von Leistung und Konkurrenz?“ hatten sie das Programm betitelt und dazu sechs Frauen aus Sportwelt und -wissenschaft aufs Podium geladen. Die historische Entwicklung des Frauensports, Probleme des Breiten- und Leistungssports, neue Konzepte für Schule und Vereine - das waren die Themen des Tages.

Am Ende der Veranstaltung stand ein Thesenpapier, in dem die Grünen eine „Initiative zur Förderung von Frauen im Sport“ fordern - für die der Sportetat des Verteidigungsministeriums gekürzt werden soll, der fast sieben mal so groß ist wie der des Ministeriums für Frauen und Gesundheit. Sie verlangen außerdem sportwissenschaftliche Forschung „aus einer frauenparteilichen Sicht“ und kündigen ein Modellprojekt an, mit dem Trainerinnen, Lehrerinnen und Sportjournalistinnen auf die Probleme des Frauensports aufmerksam gemacht werden sollen.

„Sport ist von einer Gleichbehandlung der Geschlechter noch weit entfernt“ - darüber waren sich die Referentinnen einig. Während 37 Prozent der Mitglieder aller Sportvereine weiblich sind, sind lediglich 15 Prozent der FuntionärInnen auf Landes- und Bundesebene Frauen. „Das heißt: Sport wird überwiegend von Männern organisiert, bestimmt und vermittelt“, sagt Ursula Voigt, Abteilungsleiterin Frauensport beim Deutschen Sportbund (DSB).

Die Auswirkungen sind offensichtlich: Leistungssportlerinnen müssen mit „ungünstigeren strukturellen, materiellen, personalen und ideellen Bedingungen“ kämpfen als die Männer, der Breitensport, den 94 Prozent aller Frauen bevorzugen (und nur 57 Prozent der Männer) wird wesentlich weniger als die Wettkampfsportarten gefördert. Da immer mehr Mädchen und Frauen Interesse am Sport entwickeln, kommen vor allem kleine Vereine mit entsprechenden Angeboten nicht mit.

Auch „stadtplanerische und sportpolitische Entscheidungen“ lassen sich nach Ansicht der Bochumer Sportsoziologin Marie -Luise Klein „als Ungleichbehandlung des Sports von Frauen und Männern interpretieren“. Jahrelang seien überwiegend Sportstätten gefördert worden, die vor allem Männer besuchen; Stadien etwa oder Fußballplätze. Hallenbäder dagegen, die von Frauen aller Alters- und sozialen Gruppen stark besucht werden, würden geschlossen.

Aber auch Frauen, die trotz alledem Leistungssport treiben, müssen mit Schwierigkeiten rechnen. „Ein bestimmtes Bewegungsverhalten - wie breite Schultern, große Schritte ist im Sinne der polaren Geschlechterphilosophie unweiblich“, meint Birgit Palzkill, die ein Buch über Die Entwicklung lesbischer Identität im Sport geschrieben hat. Innerhalb des Sportsystems würden die Frauen trotz oder gerade wegen dieser pokalversprechenden Eigenschaften anerkannt.

Außerhalb der „patriarchalen Sportkultur“ jedoch müßten die Athletinnen damit zurechtkommen, als „Sportler“ und nicht als Frau gesehen zu werden. Als Folge sieht Palzkill: innere Zerrissenheit, eine „hohe Abbrecherinnenquote im Leistungssport“ und „viele psychosomatische Krankheiten“.

Und Heidi Scheffel vom Sportinstitut der Uni Münster stellt fest, daß Mädchen selbst „im koedukativen Sportunterricht benachteiligt werden“: durch Ungleichbehandlung seitens der LehrerInnen, durch sexistische Äußerungen ihrer Mitschüler, dadurch, daß ihre sportlichen Leistungen meist schlechter sind als die der Klassenkameraden.

Daß es auch anders geht, demonstrierte Sabine Macziey, die den „Ersten Frauensportverein Köln“ mitbegründete. In diesem Club nur für Frauen sollen die Hobbysportlerinnen „eigene Bewegungsbedürfnisse herausfinden, den Zugang zu allen Sportarten“ finden und „selbstbestimmten Sport verwirklichen“. Weg vom Höher-Schneller-Weiter-Streben und Überbieten-Müssen will auch das „Bewegungs- und Kommunikationszentrum für Mädchen und Frauen“ in Tecklenburg, das all diejenigen Frauen mit seinen Kursen für den Sport begeistern will, die sich in keinem herkömmlichen Sportverein aufgehoben finden.

Beide Projekte bieten neben der körperlichen Bewegung die Möglichkeit zu Diskussionen und Gesprächen, um Spaß am Sport und ein positives Körperbewußtsein zu fördern. Schon Ringelnatz schrieb schließlich, daß auf diese Art die patriarchalische Sport-Welt zu bekämpfen ist: „Mußt dich keck emanzipieren und mit kindlichem Ätsch-Ätsche über Männer triumphieren; mußt wie Bombe und Kartätsche Deine Kräfte demonstrieren.“

Ina Kerner