Das militärische Restrisiko

■ Wer Stützpunkte will, muß den GAU einkalkulieren

Die regionalen Trauerfeiern zum zweiten Jahrestag des Ramstein-Desasters vom 28. August 1988 wurden von der US -Airforce mit einem explosiven Nachtrag abgerundet: Eine „Galaxy“ stürzte kurz vor Mitternacht vom Himmel, und junge US-Amerikaner starben in den Flammen der Maschine, die über die Rhein-Main-Airbase - Nachschub an Menschen und anderem Kriegsmaterial in den Nahen Osten bringen sollte. Der Absturz der „Galaxy“ ist dennoch kein „Fingerzeig Gottes“, wie christlich orientierte Friedensbewegte gleich nach dem Unglück in Ramstein erklärten, sondern ein von den Verantwortlichen im Pentagon einkalkuliertes Zufallsprodukt: das programmierte Restrisiko für die „Host-Nation“ Bundesrepublik Deutschland. Und daran wird auch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten nichts ändern, denn das US-Luftdrehkreuz Airbase in Frankfurt steht nicht zur Disposition - trotz der angeblichen Souveränität, die dem neuen Deutschland von der Vier-plus-zwei-Konferenz zugestanden werden wird. Ohnehin macht zur Zeit kein bundesdeutscher Politiker - von den Grünen abgesehen - den „Amis“ ihre Basen streitig. Vor dem Hintergrund der Golfkrise ist die Solidarität mit der westlichen Führungsmacht schließlich das Gebot der Stunde. Die in Ramstein abgestürzte „Galaxy“ sollte zur Airbase an der Peripherie der Mainmetropole fliegen - nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die riesige Transportmaschine eine Schneise in die Frankfurter City gerissen hätte.

Der erst vor Wochenfrist gerade für Hessen angekündigte Teilabzug der US-Truppen ändert nichts an der Bedrohungslage, der die Bevölkerung in der europäischen Friedensdekade ausgesetzt ist. Bei der Flugshow in Ramstein 1988 wurde Krieg gespielt - der Absturz der „Galaxy“ ereignete sich im Rahmen der Kriegsvorbereitungen der US -Amerikaner vor dem Hintergrund der irakischen Invasion in Kuwait. Und falls es am Golf demnächst wirklich zur bewaffneten Auseinandersetzung kommen sollte, werden uns die „Galaxies“ und „Starlifter“ pausenlos über die Köpfe donnern.

Bleibt die Forderung nach Auflösung aller Militärblöcke und nach bedingungsloser Abrüstung weltweit. Ein frommer Wunsch - und deshalb werden „wir“ weiter mit dem militärischen Restrisiko leben müssen, in Ramstein und in Frankfurt, auf den Azoren und in Südengland. Daß die Akzeptanz des militärischen Restrisikos die Akzeptanz des GAU impliziert, versteht sich. Aber daran haben „wir“ uns schon in Sachen „friedlicher Nutzung“ der Atomenergie gewöhnen müssen: Im Westen wieder mal nichts Neues.

Klaus-Peter Klingelschmitt