Greenpeace gegen „Stromknebelvertrag“

■ Umweltaktivisten protestieren vor Ostberliner Umweltministerium gegen Stromvertrag mit westdeutschen Konzernen

Berlin (taz) - Die verwaisten Fahnenstangen kamen den Greenpeace-Aktivisten gerade recht: Binnen weniger Minuten zierte gestern morgen ein überdimensionales Spruchband mit der Aufschrift „Stromknebelvertrag - Nein Danke“ das Eingangsportal des Ostberliner Umweltministeriums.

Ein zweites überspannte am Bahnhof Friedrichstraße an einer Brücke befestigt die Spree.

Die Unterlinge von Behördenvorsteher Karl-Hermann Steinberg (CDU) unternahmen denn auch keinen Versuch, den optischen Protest gegen ihren übergeordneten Chef zu behindern.

Stein des Anstoßes ist der in der vergangenen Woche von Minister Steinberg und der Treuhandanstalt einerseits und den westdeutschen Stromriesen Rheinisch Westfälisches Elektrizitätswerk, Preussen Elektra und Bayernwerk andererseits, gegen vielfältige Widerstände abgeschlossene Stromvertrag.

Der sei zwar in der Lage, die ökologische Situation in der DDR „kurzfristig zu entspannen“, erklärte der Leiter des Greenpeace-Bereichs Energie/Atmosphäre; mittel- und langfristig zementiere er jedoch eine Energiestruktur, die geradewegs in die Klimakatastrophe führe.

Die Städte und Gemeinden würden mit dem Vertrag kalt enteignet und daran gehindert, eine ökologisch verträgliche, kommunale Energieversorgung aufzubauen. Mittelfristig „gewinnträchtige Einnahmequellen“ sollten statt für die im Grunde genommen bedürftigeren Kommunen für die Konzerne sprudeln.

Das Ganze sei nicht nur aus ökologischer Sicht unsinnig, sondern ein eklatanter Bruch der in der DDR -Kommunalverfassung und dem erst im Juli in der Volkskammer verabschiedeten Kommunalvermögensgesetz verbrieften Rechte der Städte und Landkreise, schimpfte Tannert. Die Regelwerke hatten den Aufbau eines neuen Energiesystems auf dem Territorium der DDR eindeutig in die Hände der Gebietskörperschaften gelegt.

Nach dem Wortlaut des von Steinberg seit Monaten vorangetriebenen Stromvertrags sollen die Kommunen dagegen auf Minderheitenbeteiligungen an den Energieanlagen ihres Territoriums zurückgestutzt. Sollte die DDR die Knebelung der Gemeinden nicht bewerkstelligen können „ist das westdeutsche Energieversorgungsunternehmen berechtigt, von diesem Vertrag zurückzutreten“, heißt es etwa in dem Kontrakt für die Region Leipzig.

Tannert forderte die Bürgermeister der Gemeinden auf, ihre Recht auf diesem „entscheidenden Gebiet der Selbstverwaltung“ vor den Gerichten einzuklagen. Von Umweltminister Steinberg wollen die aufgebrachten Umweltschützer die Annullierung des Stromvertrags verlangen.

Ein Gespräch allerdings wurde den Aktivisten gestern verweigert. Begründung: Weder der Minister noch sonst ein politisch Verantwortlicher sei greifbar. Und so mußte auch das Umweltmagazin 'Natur‘ auf die feierliche Verleihung ihres Hammers des Monats - „für den größten anzunehmenden Unsinn in Sachen Umwelt“ - direkt an den für dieses Resort zuständigen Minister verzichten.

Ein Bediensteter wird ihn dem Herrn Minister nun auf den Schreibtisch legen. Vielleicht ist es einer aus jener Fraktion des Hohen Hauses, die mit den Energiekapriolen ihres Dienstherrn ebensowenig zufrieden sind wie Greenpeace: „Was sein muß, muß sein“, bemerkte einer von ihnen zur Aktion der Umweltaktivisten.

Gerd Rosenkranz