Und noch ein Spitzentreffen zum §218

■ Regierungskoalition und SPD suchen heftig nach Kompromiß / Entscheidung spätestens heute

Bonn (taz) - Fieberhaft ging gestern in Bonn die Suche nach einem Kompromiß beim Abtreibungsrecht weiter. Weder CDU noch FDP oder SPD wollen den Einigungsvertrag mit der DDR an dieser Frage scheitern lassen. Nach dem Treffen der Spitzenvertreter der Regierungskoalition und der SPD berieten anschließend die Fraktionen.

Dann sollte in einem zweiten Treffen, das noch am späten Mittwoch abend oder Donnerstag vormittag stattfinden sollte, über die umstrittene Abtreibungsregelung entschieden werden. Fest steht, daß für eine Übergangsfrist in der dann ehemaligen DDR Abtreibungen vor dem dritten Schwangerschaftsmonat erlaubt bleiben. Im westlichen Teil Gesamtdeutschlands soll der 218 weitergelten. Nach wie vor ist umstritten, ob sich eine Frau strafbar macht, wenn sie im geeinten Deutschland zum Abtreiben von West nach Ost fährt. Innenminister Schäuble und der FDP-Vorsitzende Lambsdorff sagen nach tagelangem hin und her: Geltende Rechtslage ist das sogenannte Tatortprinzip, also das Recht des Ortes, an dem die Abtreibung gemacht wird: Wer in den Osten fährt, bleibt straffrei. Lambsdorff hatte zuvor schlecht beraten durch Bundesjustizminister Engelhard geglaubt, es gelte das Wohnortprinzip.

Jetzt hat er herausgefunden, daß dieses nur dann zum Zuge kommt, wenn eine Frau zum Abtreiben von der Bundesrepublik ins Ausland fährt. Lambsdorff geht nun davon aus, daß die ehemalige DDR - auch wenn dort ein anderes Recht gilt - nach dem Beitritt juristisch nicht als Ausland gesehen werden kann. Lambsdorff soll Engelhard inzwischen gedroht haben: Im vereinigten Deutschland werde er nicht Justizminister bleiben.

Die Parteivorsitzenden und führende Abgeordnete von CDU und CSU lenkten am Dienstag ein. Bundeskanzler Kohl will nun seine Fraktion dazu bringen, das Tatortprinzip zu akzeptieren. Auch der Chef der CSU-Landesgruppe, Wolfgang Bötsch, rät seinen Parteifreunden - „schweren Herzens“, wie er sagt - „an der Frage Wohnort- oder Tatortprinzip den Einigungsvertrag nicht scheitern zu lassen“. Fraglich ist dennoch, ob die CSU während der Übergangszeit das Tatortprinzip gelten lassen will. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl schlägt vor, das ganze Thema Abtreibungsrecht aus dem Einigungsvertrag auszuklammern. Die SPD hat bereits angekündigt, über einen solchen Kompromiß könne man mit ihr reden. Dann geht der ganze Streit nächste Woche nach der Unterzeichnung des Entwurfs für den Einigungsvertrag wieder von vorne los.

Tina Stadlmayer