: Keine Abschiebung
■ Offener Brief an Herrn Bürgermeister Wedemeier
L E S E B R I E F (E)
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wedemeier,
der Landesverband der Sinti und Roma in Bremen und der Bremer Sinti-Verein e.V. haben nicht vergessen, daß sich der Bremer Senat in der Vergangenheit für die Volksgruppe der Sinti und Roma in Bremen eingesetzt hat und der Volksgruppe nicht nur materiell geholfen hat, sondern in der politischen Auseinandersetzung gegen das Aufkeimen von Rassismus Flagge gezeigt hat. Im Bemühen für eine bessere Ausbildung der Sintikinder und menschenwürdigen Wohnraum für die Sinti -Familien sind wir gemeinsam ein gutes Stück voran gekommen. Uns war immer bewußt, daß Asyl-und Ausländerrecht in erster Linie bundesgesetzlich geregelt sind und der Bremer Senat nur einen bescheidenen Entscheidungsspielraum hat. Dies gilt aber nicht für Abschiebungen, die als polizeiliche Maßnahmen ausschließlich Sache der Innenbehörde und des Innensenats sind. Wenn wir in dieser Situation an die moralische Verpflichtung der Deutschen erinnern, so nicht, um eine Sonderbehandlung für die Roma einzufordern. Es geht um den Zusammenhang von Vernichtung und Verfolgung, der die kulturellen Zusammenhänge dieser Volksgruppe zerstört hat und die heutigen menschenunwürdigen Lebensverhältnisse, besonders in Jugoslawien und Rumänien, in denen sich die Roma dort befinden oder die sie bei ihrer Abschiebung wieder vorfinden. Die jugoslawischen und rumänischen Roma sind nicht mehr in der Lage, mit traditionellen Berufen die Existenz ihrer Familien zu sichern. Der Zugang zu qualifizierten Berufen wird ihnen verwehrt. Durch den gesellschaftlichen Wandel in Osteuropa treten Nationalismus und Rassismus, früher verdeckt, heute offen, hervor. Roma, sozial ausgegrenzt, werden als erste Opfer rassistischer und nationalistischer Bewegungen. Der nationale und soziale Unfrieden und die derzeitge wirtschaftliche Lage in Rumänien und Jugoslawien haben dazu geführt, daß die Roma in die Konflikte zwischen rivalisierenden Nationalitäten geraten und in Rumänien sogar Pogromen ausgesetzt sind. Viele der Bremerhavener Roma, die nunmehr von Abschiebung bedroht sind oder bereits abgeschoben wurden, leben mehr als zwei Jahre im Lande Bremen, sie sind teilweise Staaten- und Heimatlos. Wir sind bestürzt, daß der Innensenator dennoch die Abschiebungen eingeleitet hat und offenbar weiter vollziehen will. Weder nach asylrechtlichen noch nach ausländerrechtlichen Bestimmungen ist eine Abschiebung geboten. Hier kann sich der Senat nicht hinter bundesgesetzilichen Regelungen verschanzen. Im Lande Bremen erfolgen nicht einmal wie in Hamburg oder Nordrhein -Westfalen Einzelfallprüfungen nach rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren. Es ist nicht verwunderlich, daß der Innensenator für seine Abschiebemaßnahmen Beifall von der rechten politischen Ecke erhält. Durch die politische Haltung der Innenbehörde werden neue rassistische Tendenzen in der Bevölkerung gefördert. Wir sind bestürzt über die Schützenhilfe zu diesen Abschiebungen durch den Amtsleiter Ostertor/östl. Vorstadt, Hucky Heck. Wir sind bestürzt, daß der Bremerhavener DVU-Abgeordnete diese Vernichtung karikierte mit der menschenverachtenden Frage: „Mehr nicht?“ Herr Bürgermeister, wir fordern Sie auf, mit Ihrem politischen Gewicht dafür Sorge zu tragen, daß der Rassismus in unserer Stadt nicht neuen Nährboden erhält. Wir fordern Sie auf, mit den Roma als direkt Betroffenen, mit den Verbänden der Sinti und Roma und anderen Organisationen, die sich gegen die Abschiebung wenden, in einen Dialog zu treten. und die Abschiebung von Roma zu stoppen.
Bremer Sinti Verein /Landesverband der Sinti und Roma Bremen: M. Reichert, W. Leschmann
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