Pille ja, Kondome nein

■ Gerichtsstreit um Verhütungsmittel für den Mann

Eine Frau, die mit den Mitteln verhütet, die ihr ÄrztInnen verordnen, also mit Pille oder mit Spirale, wird vom Sozialamt bei der Familienplanung unterstützt. Zwar nur auf gesonderten Antrag, aber immerhin. So ist es auch festgelegt im Paragraphen 37 des Bundessozialhilfegesetzes. Was aber ist mit einem Mann, der in seiner Emanzipation schon soweit fortgeschritten ist, daß er sich mit selbgekauften Kondomen an der Verhütung beteiligen will? Diese Frage drängte sich dem sozialhilfeempfangenden Bremer Matthias R. auf, als er mitbekam, wie eine Bekannte von ihm vom Sozialamt die Auslagen für ihre Spirale erstattet bekam. Umgehend beantragte er schriftlich beim Sozialamt, im Rahmen der „Gleichbehandlung“ monatlich 20 Kondome finanziert zu bekommen. Doch das Bremer Sozialamt widersprach: Kondome seien bereits im Regelsatz enthalten, der ja auch Ausgaben zur persönlichen Lebensführung vorsehe.

Matthias R. zog mit Hilfe eines Gewerkschaftsanwalts vor Gericht. Für ihn ist der Streit um die 20 monatlichen Kondome „eine Prinzipiensache“. Und für seinen Anwalt ist es nicht einsehbar, daß Matthias R. beispielsweise auf die im Warenkorb für SozialhilfeempfängerInnen mitgerechneten Körperpflegemittel verzichten soll, „sich nicht mehr waschen darf“, damit er sich von dem eingesparten Geld Kondome kaufen könne.

Gestern verhandelte das Bremer Verwaltungsgericht den Rechtsstreit. Vor sechs Jahren war hier ein ähnlich gelagerter Fall schon einmal abschlägig entschieden. Doch Matthias R. schöpft Hoffnung aus zwei Urteilen auswärtiger Richter. Das Hamburger Verwaltungsgericht hatte bei einem homosexuellen Mann ein Einsehen gehabt und ihm aus Gründen der Aids-Prävention ein Recht auf öffentlich finanzierte Kondome zugebilligt. Und das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte das dortige Sozialamt verdonnert, einer Frau fünf Mark im Monat zusätzlich zu zahlen, damit sie Kondome kaufen konnte. Und von den Bremer Richtern erfuhr Matthias R. gestern zu seinem Erstauen, daß Bremer Behörden -Abteilungsleiter zum Thema „Kondome“ bereits eine Protokollnotiz verfaßt haben. Darin heißt es, „in Einzelfällen“ könnten Kondome von Bremer Sozialämtern finanziert werden, aber nur, wenn ähnlich wie bei Diaphragmen „eine Bescheinigung von Pro Familia oder einer Eheberatungsstelle beigebracht“ worden sei. Ein Richter fragte Matthias R. gestern, ob er denn damit einverstanden sei, nachträglich sich solch eine Bescheinigung zu holen. Matthias R. lehnte ab. Er will „Gleichbehandlung“. Zwei Wochen wollen sich die drei Richter-Männer Zeit lassen, über die Gleichbehandlung von Kondomen zu entscheiden.

Barbara Debus