„Ein Parlamentarier kann schließlich nicht alles wissen“

Ost-Berlin. Die Listenverbindung Bündnis 90/Grüne/Unabhängiger Frauenverband rief - und alle kamen. Um gemeinsam über Wirtschafts- und Sozialpolitik zu diskutieren, erschienen gestern neben VertreterInnen aller Parteien in der Stadtverordnetenversammlung auch Abgesandte des Arbeitslosenverbandes, des Unternehmensverbandes sowie die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) im Roten Rathaus. Die eingeladenen Stadträte waren zwar nicht selbst gekommen, hatten aber allesamt Vertreter aus ihren Verwaltungen geschickt.

Zweck dieses Hearings, so die Berliner Fraktionsvorsitzende vom Bündnis 90, Ingrid Köppe, sei es, einen Überblick über die soziale und wirtschaftliche Situation in der Stadt zu gewinnen. Keinesfalls wolle man damit aber dem demokratisch gewähltem Parlament die Kompetenz absprechen: „Aber schließlich es ist doch so, daß ein Parlamentarier nicht den Überblick über die gesamte Situation haben kann - deshalb wollen wir hier Anregungen und Anstöße für die Politik geben.“

Die gestrige Sitzung stand unter dem Zeichen einer ersten allgemeinen Bestandsaufnahme. So wurde neben der „Kumulation von ineffektiver Bürokratie“ vor allem die „Rechtsanarchie“ in Eigentumsfragen problematisiert. Denn: Ist die Grund- und Bodenfrage bei Unternehmen nicht geklärt, so Blanke von der Ostberliner Industrie- und Handelskammer, gewähren die Banken keine Kredite. Im übrigen sei es für Ost-Berlin äußerst schädlich, wenn das Geld der dortigen Arbeitnehmer durch Einkäufe überwiegend in den Westen flössen, ganz zu schweigen von den Fachkräften, die in den Westteil der Stadt überwechseln. Klaus Grähn vom Arbeitslosenverband sprach von 30.000 Arbeitslosen derzeit allein im Wohnungswesen, der Behindertenverband verwies darauf, daß in Zukunft alle Bauten auch alten- und behindertengerecht ausgestattet werden müßten.

Konkrete Ergebnisse gab es gestern nicht, ein „Erfolg“ war es für Köppe trotzdem. Das Hearing mit VertreterInnen aller Parteien, Verbänden und Unternehmen soll jetzt zur festen Institution werden - allerdings mit jeweiliger Schwerpunktsetzung. Ingrid Köppe: „Wir wollen einen grundsätzlichen Überblick gewinnen und in kontroversen Diskussionen Vorschläge erarbeiten.“ Das nächste Zusammentreffen findet am 11. September statt und steht unter dem Thema „Mieten, Bau- und Wohnungswesen“.

Maz