„Im Sarg zurück nach Südkorea“

■ Ein koreanischer Oppositioneller wird seit zwei Jahren in Berlin von regierungstreuen Landsleuten drangsaliert Berliner Hochschulmagazin erhielt Drohanruf, nachdem es über Aktivitäten des koreanischen Geheimdienstes berichtet hatte

West-Berlin. Schikaniert, denunziert und verprügelt. Seit über zwei Jahren wird ein südkoreanischer Oppositioneller in Berlin von regierungstreuen Landsleuten drangsaliert, weil er sich auch im Exil nicht den Mund verbieten läßt. Fast täglich erhält der Maler Park Youn Chan, als politischer Flüchtling in der Bundesrepublik anerkannt, Morddrohungen - die letzte kam vor drei Tagen telefonisch: „Eigentlich bist du zu schade zum Sterben, aber wir bringen dich um, wenn es sein muß.“ Urheber des Terrors sind regierungstreue Landsleute. Die Fäden laufen nach Überzeugung Parks und anderer südkoreanischer Oppositioneller beim koreanischen Geheimdienst KCIA (Korean Central Intelligence Agency) zusammen.

Politisch aktiv ist Park seit seiner Studentenzeit in Südkorea. 1974 wurde er wegen der Organisation von Demonstrationen gegen die damalige Militärdiktatur inhaftiert und gefoltert. An den Folgen der Mißhandlungen leidet er noch heute. 1980 wurde der Maler Augenzeuge des Massakers südkoreanischer Militärs an 2.000 DemonstrantInnen in der Stadt Kwang Ju. Die Erinnerung an dieses Blutbad und die Scham darüber, „damals keinen Stein gegen die Soldaten geworfen zu haben“, sind seitdem treibendes Moment für seine Bilder. Für das Regime stellen sie eine Bedrohung dar, denn die politischen Aussagen der Gemälde könnten deutlicher nicht sein: Zum Beispiel ähneln die mordenden Soldaten des Kwang-Ju-Massakers auf der Leinwand zum Teil weißen Männern

-für den Betrachter ein unmißverständlicher Hinweis auf die Mitverantwortlichkeit der Vereinigten Staaten an den Ereignissen in Kwang Ju. Bilder über die aktuelle Situation zeigen den amtierenden Präsidenten Roh Tae Woo als blutbefleckten General, der sich mit Anzug, Krawatte und staatsmännischer Geste eine zivile Fassade verschafft hat.

Nach Umwegen über Griechenland und England floh Park schließlich 1988 nach Berlin. Ausstellungen seiner Bilder versuchen regierungsloyale Koreaner bis heute immer wieder zu unterbinden. Bei der Auswahl der Methoden ist man nicht zimperlich. Wenige Wochen nach seiner Ankunft in Berlin wird Park von vier Koreanern überfallen und zusammengeschlagen. Das ärztliche Attest konstatiert Verletzungen am Kopf, Schnittwunden am Bauch und an der Hand, Fraktur eines Fingers, verursacht „durch Fußtritte und Glasscherben“. Park hält sich zu diesem Zeitpunkt noch illegal in Berlin auf. Der Polizei meldet er diesen Vorfall nicht, „aus Angst, abgeschoben zu werden.“

Eine erste Ausstellung im Haus der Kirche können die linientreuen Landsleute zwar nicht verhindern, wohl aber stören: Parks Rede anläßlich der Eröffnung wird von Lärmaktionen begleitet, die anwesenden Gäste werden fotografiert. Als Bestechungsangebote, gegen Geld in Zukunft „unpolitisch“ zu malen, nichts nutzen, versucht eine südkoreanische Studentin die Organisatoren des Kulturhauses Spandau von einer weiteren Ausstellung abzuhalten. Seine Bilder, so die Frau, seien Plagiate, außerdem werde Park in Südkorea als Terrorist gesucht. Als der Künstler daraufhin einen Anwalt einschaltet und gegen die Studentin wegen Verleumdung ermittelt wird, erklärt sie in einem Brief, von Konsulatsangehörigen zu solchen Aktionen gezwungen worden zu sein, und entschuldigt sich bei dem Maler. Ihr sei erst später bewußt geworden, so der Wortlaut des Briefes, „daß ich gegen meinen Willen in die Manöver der KCIA geriet und manipuliert wurde“. Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall schnell zu den Akten gelegt, zumal weitere Verleumdungsversuche ausbleiben. Die Drohungen jedoch gehen weiter.

Auch Landsleute, die seine Ausstellungen unterstützen, geraten ins Visier. Hong Youn Sook, ehemals Kulturreferentin des Asta der FU, wird bedroht, seit sie Park eine Ausstellung im Henry-Ford-Bau der FU ermöglichte. Bei einem Überfall koreanischer Studenten vor der FU-Mensa im Juni 1989 kam die Studentin glimpflich davon, weil andere Asta -Mitglieder die Angreifer in die Flucht schlagen konnten. Auch sie erhält anonyme Anrufe. „Wir schicken dich im Sarg nach Korea zurück“, wird unverhohlen gedroht. Außerdem hat man ihr nahegelegt, an die Familie zu Hause zu denken.

Vorigen Monat veröffentlichte schließlich die unabhängige Hochschulzeitschrift 'Unisono‘ einen Bericht über Repressalien gegen den Maler und Aktivitäten des KCIA innerhalb der koreanischen Studentenschaft und des südkoranischen Konsulats in der Ansbacher Straße. Prompt meldete sich nach Aussagen der Redakteure auch dort eine anonyme Anruferin mit den Worten „Paßt auf, was ihr schreibt, oder wir töten euch“. Auf Anfrage wies das südkoreanische Konsulat die im 'Unisono‘ geäußerten Vorwürfe als „bar jeder Grundlage“ zurück. Alles weitere wolle man nur in einem persönlichen Gespräch mit der taz bereden.

Eine Anfrage bei der Senatsinnenverwaltung über mögliche Erkenntnisse über den KCIA und andere regierungstreue südkoreanische Organisationen erbrachte eine kryptische Antwort des Pressesprechers Werner Thronicker: Er habe niemanden gefunden, „der diese Frage beantworten könnte“.

Trotz der Drohungen wollen sich weder Künstler noch UnterstützerInnen einschüchtern lassen. Weitere Ausstellungen sind geplant. Park weiß von anderen Exilanten, die dem Druck nicht standgehalten haben und unter der Bedingung, sich in Zukunft loyal gegenüber dem Regime Roh Tae Woos zu verhalten, zurückgekehrt sind. Als Gegenleistung erhielten sie materielle Privilegien.

Andrea Böhm