Absturz von Wolke sieben

■ Fußball-Länderspiel: Portugal - BR Deutschland 1:1

Berlin (taz) - Die Portugiesen sind ohne Zweifel ein kluges Volk. Sie ahnten offensichtlich, was beim Fußball -Länderspiel gegen die Weltmeister aus der Bundesrepublik auf sie zukommen würde und blieben tunlichst daheim. Nur knapp 20.000 kamen in das gigantische Stadion „de la Luz“ in Lissabon, das 125.000 Zuschauer faßt; und dies, obwohl der portugiesische Verband die Eintrittspreise in weiser Voraussicht halbiert hatte.

Zwar hatte der debütierende neue Bundestrainer Berti Vogts seine Spieler - von denen gut die Hälfte mitten in der kräftezehrenden Vorbereitung auf die italienische Saison steckt und ein Teil nach dem WM-Gewinn noch auf „Wolke sieben“ (Guido Buchwald) schwebt - vorher aufgefordert, engagiert und offensiv zu Werke zu gehen, aber diese waren sichtlich der Meinung, daß gegen einen solch inferioren Gegner wie Portugal halbe Kraft vollauf genügen müßte.

Lange Zeit sah es auch ganz danach aus. Die Deutschen kontrollierten das Mittelfeld, gewannen jeden Zweikampf und schoben den Ball mit erstaunlicher Geduld immer wieder quer zum nächsten freistehenden Mann. Lediglich Lothar Matthäus und Andreas Brehme ließen Interesse erkennen, den Ball auch mal nach vorn zu spielen, und als Matthäus in der 15. Minute nach einem indirekten Freistoß aus zwanzig Metern kräftig aufs Tor schoß, hieß es auch schon 1:0. Die Portugiesen waren vor lauter Respekt fast gelähmt und agierten so nervös, daß ihnen sogar die Rückpässe zum Torwart mißlangen.

Das Bild änderte sich in der zweiten Halbzeit, als die Portugiesen nach dem Ausscheiden des starken Matthäus immer besser ins Spiel kamen. Ein ungeschickter Ballverlust von Andreas Brehme leitete in der 57. Minute den Ausgleich durch Rui Aguas ein, der die Gastgeber mit einem gehörigen Schub Selbstbewußtsein versorgte. Plötzlich spielten sie viel aggressiver, und die deutsche Abwehr um Libero Berthold bekam einige Schwierigkeiten.

Das Tor trafen jedoch auch die Portugiesen nicht mehr, und der arme Berti Vogts entging noch einmal dem Spott, den ihm das Kuckucksei, das ihm Franz Beckenbauer zum Abschied ins Nest gelegt hatte, im Falle einer Niederlage eingetragen hätte. Es tue ihm leid für den Rest der Welt, in den nächsten Jahren werde die deutsche Elf unschlagbar sein, hatte der Kaiser nach dem WM-Finale dekretiert, „scherzhaft“, wie er hinterher beteuerte. Glück für seinen Nachfolger, daß die Portugiesen den abgedankten Teamchef ernstnahmen.

Matti

Portugal: Silvino - Galo (46. Jose Carlos), Fonseca, Venancio, Veloso - Hernani, Vitor Paneira, Andre, Semedo (82. Pacheco) - Rui Aguas, Cadete

BR Deutschland: Illgner - Berthold - Reuter, Kohler, Buchwald, Brehme - Bein (65. Knut Reinhardt), Matthäus (53. Binz), Möller - Riedle, Völler (46. Klinsmann)