Vereint gegen Querdenker

■ Über den Streit einer „Westkandidatur“ im Osten

Querdenker werden hierzulande gern in die Nähe von Querulanten gerückt. Als „verquer“ wird das Vorausdenken empfunden. Denkanstöße werden übelgenommen und eine der erprobtesten Organisationsformen des Übelnehmens stellen die Parteien dar. Sie neigen außerdem dazu, die Karrieren anregender Querdenker scheitern zu lassen. Wenn dann ein solcher dieses Schicksal nicht klaglos hinnimmt, dann kann man ihm überdies noch Karrierismus vorwerfen. Die bundesdeutschen Grünen haben diese Parteientradition nicht durchbrochen, sondern sie nur um ihre alternative, basisbürokratische Spielart ergänzt. Ihr prominentester Querdenker heißt Knapp. Er kandidiert für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt und außerdem für die Bürgerbewegung, für das Neue Forum in Halle. Prompt vereinen sich die Grünen hüben und drüben, die sonst auf Abgrenzung achten, in dieser Frage und starten eine Kampagne, die zwischen Satzungsinterpretationen, Warnung vor „Westimporten“ und Rufmordversuchen schwankt. Und die erschrockenen Hallenser finden sich unvermittelt zwischen Schützengräben der Realos und Fundis wieder.

Der Aufwand an gesamtdeutscher Intrige und denunziativer Aufgeregtheit ist beträchtlich und macht die Kandidatur zum symptomatischen Fall. Daß Udo Knapp die Idee eines pädagogischen Schonraums DDR nicht akzeptiert; daß er glaubt, die Frage der Demokratie der künftigen deutschen Republik werde in den Ländern der DDR entschieden; daß er die Grünen auch politisch und nicht nur taktisch mit der Bürgerbewegung der DDR zusammenbringen will - das macht die Kandidatur plausibel, erklärt aber nicht so recht die hektische Wut seiner Gegner.

Es ist eher sein politischer Habitus. Er ruft nicht nur Streit hervor, sondern auch politische Vermischungen und löst damit bedingte Reflexe aus. Er hat in allen seinen Ideen und Fehlern die Lagerwelt von Links und Rechts verlassen. Er leidet einfach zu wenig am Verlust der linken Überzeugungen durch die Einheit und ist zu offensichtlich ermuntert vom Ende des Sozialismus, während die Mehrheit der Grünen das linke Lager befestigen. Er reizt die Feinde der Vermischung. Außerdem: Seine altmodische Überzeugung als 68er, die naiverweise glaubten, Politik als persönliche Entfaltung betreiben zu können, provoziert all die heutigen Linken oder Grünen. Für die muß Politik ein Leiden um der höheren Ziele willen oder ein Art verschärfter öffentlicher Dienst sein. In dieser Haltung haben sich die Grünen hüben und drüben längst vereint.

Klaus Hartung