Bundeswehr schrumpft auf 370.000

■ Erklärung Genschers vor VKSE-Teilnehmerstaaten

Genf/Wien (taz) -Die Zahl der Soldaten im vereinten Deutschland soll auf 370.000 begrenzt werden. Bundesaußenminister Genscher hat gestern vor den 23 Teilnehmerstaaten der Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa (VKSE) eine entsprechende förmliche Erklärung abgegeben. Der Truppenabbau soll drei bis vier Jahre nach Unterzeichnung eines ersten VKSE-Abkommens abgeschlossen sein. Eine entsprechende Vereinbarung hatten Bundeskanzler Kohl und Präsident Gorbatschow bereits anläßlich ihrer Begegnung im Juli im Kaukasus getroffen. Die Sowjet-Regierung hatte dabei die Bedenken gegen eine NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands aufgegeben.

Laut Genscher wird die Zahl der deutschen Armee-und Luftwaffenangehörigen - über Marinestreitkräfte wird in Wien auf NATO-Wunsch hin bislang überhaupt nicht verhandelt künftig 345.000 betragen. Es ist noch offen, ob bis zu der für spätestens Mitte November vorgesehenen Unterzeichnung des ersten VKSE-Abkommens eine Einigung über die Reduzierung von Kampfflugzeugen gelingt.

Die von den Warschauer Vertragsstaaten seit Beginn der VKSE -Verhandlungen im März 1989 geforderte Festlegung von Personalhöchststärken für die Land-und Luftstreitkräfte aller 23 Teilnehmerländer schon in einem ersten Abkommen lehnen die NATO-Staaten nach wie vor ab. Sie wollen zunächst nur Obergrenzen für Waffen vereinbaren. Bislang gibt es lediglich die bilaterale Übereinkunft zwischen USA und UdSSR über die Verringerung ihrer in Zentraleuropa stationierten Soldaten auf jeweils maximal 195.000.

Um den von der Bundesregierung befürchteten Eindruck einer „Singularisierung“ Deutschlands bei der Begrenzung von Soldatenzahlen zu vermeiden, legte der Delegationsleiter Luxemburgs gestern noch vor Genschers Erklärung einen Vorschlag der Nato auf den Tisch: Das erste VKSE-Abkommen soll die Verpflichtung zu enthalten, in einer unmittelbar anschließenden zweiten VKSE-Runde auch Personalobergrenzen auszuhandeln. Während dieser zweiten VKSE-Runde sollten Personalstärken nicht erhöht werden. WVO-Unterhändler erklärten informell bereits ihr Einverständnis mit diesem Vorschlag. Das erste Abkommen mit dieser Klausel sowie der Erklärung der Bundesregierung soll dem für den 19. November in Paris geplanten KSZE-Gipfel vorgelegt werden. Das erfordert nach Einschätzung von Wiener Unterhändlern eine Unterzeichnung spätestens eine Woche vorher. Die Regierung in Washington macht nach wie vor den KSZE-Gipfel vom Vorliegen eines VKSE-Abkommens abhängig.

azu