Bierseliges Rumpöbeln

■ Betr.: „Kein Kulturgut, das schützenswert ist“, taz vom 6.8.1990

L E S E B R I E F (E)

Als ich in der letzten Woche von Bekannten den Artikel „Kein Kulturgut, das schützenswert ist - der grüne Ortsamtsleiter Mitte/östl. Vorstadt ist gegen ein Bleiberecht für heimatlose Roma“ zum Lesen vorgelegt bekam, verschlug es mir echt die Sprache.

Da ist doch in der Tat auf zwei halben Seiten kommentarlos ein Interview mit dem Bezirksamtsleiter Hucky Heck abgedruckt, das dem Niveau des bierseligen Rumpöbelns über „Zigeuner“ und Türken in einer Kneipe entspricht. Der Ortsamtsleiter Mitte/östl. Vorstadt antwortet auf die Frage: „Du bist wie der Innensenator für die Ausweisung der Roma, die auf der Contrescarpe zelten?“, es ginge doch nicht nur um die paar Leute. Was ihn ärgere, sei die bigotte und verlogene Art von Leuten, die jetzt kämen mit ihrem humanistischen Getue, liberal bis dorthinaus und sagten, die sollten bleiben, bis zu dem Argument der deutschen Schuld von damals.

Weiter sagt der Ortsamtsleiter auf die oben gestellte Frage, er fühle sich für die Ereignisse 1933 bis 1945 ebensowenig verantwortlich wie für den Tod Jesu, er fühle sich verantwortlich für das, was heute passiere und meint dann: „Wir leben in einer Situation, daß du gar nicht mehr sagen darfst, was Realität ist. Sonst bist du sofort ausländerfeindlich, rassistisch usw.“

Erklärend läßt er sich dazu über die Erfahrungen mit delinquenten Roma-Kindern des Übergangswohnheims Friesenstr. aus und spricht über eine Kluft zwischen dem, was stattfindet und was man vor lauter Anspruch nicht sagen darf und folgert, diese Kluft bewirke massive Ausländerfeindlichkeit. Der arme Ortsamtsleiter! Da hat ihn die massive Ausländerfeindlichkeit überrollt, weil er nicht heraussagen darf, was er denkt.

Aber in diesem taz-Interview kommt er anläßlich der Frage, wie er zur Ausweisung der auf der Contrescarpe zeltenden Roma steht, endlich zu Wort und kann zu einem Rundumschlag ausholen.

Sein Rundumschlag gipfelt vier Spalten weiter, als er nach seiner Meinung zur Auswirkung des Massenmordes an 500.000 Roma und Sinti für die Überlebenden und deren Nachfahren äußert, ihm sei nicht klar, was das mit vorliegendem Fall zu tun hätte, es habe ja auch mal Saurier gegeben.

Der Vergleich des Massenmordes und versuchten Genozids mit dem Aussterben der Saurier ist eine rassistische Verhetzung, bei der mir übel wird! Wie kann ein Mensch nur über den staatlich versuchten Genozid von vor 50 Jahren so sprechen? Das entspricht dem Wildwestgedanken: „Nur eine tote Rothaut ist eine gute Rothaut“.

Ein solches Interview unkommentiert in der taz zu finden, die sich meines Wissens als Informationsmedium für „Die Grünen“, die „Alternativen“ und einen Teil der „Linken“ begreift, hat mich wirklich bis zur Fassungslosigkeit erstaunt, da sich die Aussagen des Hucky Heck nicht von in „Bild“ abgedruckten meinungsbildenden Aussagen über „Zigeuner“ unterscheiden, die so gerne von den Massen gelesen werden, weil sie den diffusen Unmut kanalisieren.

Und da die Aussagen des „grünen“ Bremer Ortsamtsleiters von Mitte/östl. Vorstadt auch von rassistischen Kommentaren DVU -Angehöriger nicht weit entfernt sind, die bedauern, daß dem Holocoust nicht mehr Sinti und Roma zum Opfer gefallen sind, während „Hucky“ den Mord an Angehörigen dieses Volkes mit dem Aussterben der Dinosaurier vergleicht, möchte ich den taz-Redakteuren in Bremen wirklich das Nachdenken darüber empfehlen, welche Aussagen in welcher Form veröffentlicht werden.

C. Tunger, 2000 Hamburg