Tuntenkiller, Kameradenschweine

■ In Kürze im Europa: Sidney Lumets „Gefährliche Fragen“ mit Nick Nolte und Timothy Hutton

Eine Einschüchterung: Um eine puertoricanische Tunte zur Mitarbeit zu bewegen, quetscht der Bulle ihr so lange die Eier, bis sie mitspielt. Ein Lob: „Du bist der weißeste Schwarze hier am Revier.“ Übliche Anreden: Halbaffe! Wassermelonenfresser! Gettoschabe! Die allgemeine Einschätzung der Lage: „Die ganze Welt geht in den Arsch“.

„Tödliche Fragen“ steigt tief ein in den Bauch New Yorks, geht dorthin, wo die Kacke am Dampfen ist, in die Blei- und Koksluft des Latinoviertels, wo im Neongeflimmer Bullen latent schwul sind, sich das Kaliber der Waffe nach der Garderobe richtet, wo jeder Dreck am Stecken hat und folglich erpreß- und korrumpierbar ist. Falls überhaupt etwas verbreiteter ist als der Konsum von Drogen, ist das krassester Rassismus in jeder Form.

Eine Kaste Weißer, Polizisten, Staatsanwälte, Richter versucht, die Unterwelt in Schach zu halten. Sie ist ausgestattet mit Staatsgewalt und einem hauchdünnen Überbau verquaster Ordnungs- und Moralbegriffe. Ein Männerbund, der seinerseits, wie der Film enthüllt, zutiefst verstrickt ist ins Verbrechen und überall und immer mitkassiert und mitmeuchelt. Protagonist ist der riesige fette schnauzbärtige irische Bulle Brennan (Nick Nolte, der für die Rolle etliche Pfunde zulegen mußte). Er legt in der ersten Szene einen vermeintlichen Mörder um und drückt ihm vertuschungshalber eine 45er in die Hand. Ein normalerweise simpler Fall, sowas juristisch glattzubügeln. Doch der mit dem Fall betraute Hilfsstaatsanwalt Reilly (Timothy Hutton), ein Babyface und Idealist, legt sich quer Hier

bitte

die Bullen

die harten

hin

und deckt, je mehr er wühlt, einen unermesslichen Sumpf im eigenen Apparat auf. Natürlich sind all seine Fragen gefährlich, weil er sich schnell zwischen allen Stühlen wiederfindet. Und selbst hängt er auch mit drin: Seine Ex, hinter der er noch immer herjiepert, Nancy (des Regisseurs schöne Tochter Jenny Lumet),geht inzwischen mit dem Obergangster, und sein Vater, posthum dekorierter Polizist, hatte seine Hand auch gern aufgehalten. Den Spannungsbogen des überlangen Reißers (132 Minuten) trägt die Jagd nach dem einzigen überlebenden Tatzeugen. Fürs Herz gibt's derweil Romanze zwischen Gut und Schön, und ich verrate nicht zuviel, wenn ich ausplaudere, daß sie sich kriegen.

Die zwei haben ein Problem - und der alte Hase Sidney Lumet (38 Filme mit reichlich Stars, z.B. „Hundstage“, „Serpico“) macht ja nicht nur einen Reißer - sie hat einen schwarzen Vater. Das Thema „Rassismus“ wird in „Tödliche Fragen“ einerseits oberbrutal abgehandelt, andererseits auf dem Tableau einer Liebesgeschichte. Als Reilly von ihrem Vater erfährt, wird er bleich. Rassismus, sagt Nancy, sieht sie in den Augen, und das ist einer der wenigen glaubwürdigen Momente im Film, wenn sie ihre ganze schwarze Verzweiflung rausschreit.

Aber um der Glaubwürdigkeit willen gehen wir nicht in solch einen Film. Wir haben Action, spannende, weil sehr impulsiv und „körperlich“ gesprochene Dialoge, eine perfekte Regie -und Kameraarbeit und routinierten Musikeinsatz (Fagott zur Liebe, treibender Beat zu nächtlichen Fahrten). Sidney Lumet schafft es mit Eleganz, uns gute zwei Stunden unseres Lebens zu klauen. Hoffentlich fehlen sie nicht am Ende! Burkhard Straßman