Busspur-Hotte vor dem Absturz?

■ SPD-Gerangel um Parlamentssitze: Sticht Senatorin Riedmüller ihren Kollegen Horst Wagner aus?

West-Berlin. Eine Lusche sticht die andere - beim Skat wäre das nicht möglich, wohl aber in der SPD. Jetzt schon gilt es unter den Sozis als sicher, daß es Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller gelingen wird, Verkehrssenator Horst Wagner Wahlkreis und Listenplatz abzunehmen, wenn es in Neukölln demnächst um die Nominierung von Kandidaten für das Abgeordnetenhaus gilt. Im Laufe ihrer Amtszeit war Riedmüller in erster Linie mit Mißerfolgen aufgefallen: Ihr Hochschulgesetz kippten AL und SPD gemeinsam, in Sachen Hahn-Meitner-Reaktor hat ihr die AL -Umweltsenatorin Michaele Schreyer die Schau gestohlen. Trotzdem hat Riedmüller im traditionell rechtsgewirkten Kreisverband Neukölln sehr gute Chancen.

Auch in der SPD-Fraktion ist Wagner nicht eben wohlgelitten. Trotzdem bezeichnet man es dort als „unglaublichen Vorgang“, daß Riedmüller einem ihrer Senatskollegen einfach den Sessel wegzieht. Hintergrund der Intrige: Die Neuköllner müssen eine weitere weibliche Kandidatin auf die Liste hieven, um den Quotierungsbeschlüssen Genüge zu tun. Wagner werde demnächst 60 Jahre alt, wird in der Neuköllner SPD argumentiert. Da sei es besser, der Mann beschränke sich auf sein Senatorenamt.

Für Horst Wagner könnte es den völligen Absturz bedeuten. Ob Momper seinen „Busspur-Hotte“ tatsächlich erneut zum Senator macht, ist fraglich. Den Linken in der Partei war Wagner immer schon suspekt. Die Rechten verübeln ihm, daß er - angefangen mit Tempo 100 - viele seiner verkehrspolitischen Maßnahmen ungeschickt verkaufte. Selbst die Berliner Gewerkschaften - Wagners Hausmacht - haben ihren Mann im Senat fallengelassen. Sie vermißten lange Zeit energische Schritte in der Arbeitsmarktpolitik; kürzlich schoß der gewerkschaftseigene Autoclub ACE den Senator auch wegen seiner Verkehrspolitik an. Der Mann, den Wagner seinerzeit dank der Unterstützung der Gewerkschaftler im letzten Moment vom Posten des Verkehrssenators verdrängt hatte, steht mittlerweile angeblich wieder in den Startlöchern: Der derzeitige Finanzsenator Norbert Meisner.

Hans-Martin Tillack