Brüchiger Sarkophag

■ In Tschernobyl droht eine neue Katastrophe Hält das Dach der Betonumhüllung?

Berlin (taz) - Dem drohenden Einsturz des Stahlbeton -Sarkophags um den Unglücksreaktor von Tschernobyl kann derzeit kaum begegnet werden. Weil die geschätzten Temperaturen in den lavaähnlichen Resten des 1986 geschmolzenen Reaktorkerns immer noch zwischen 120 und 250 Grad Celsius liegen, muß mit der Stabilisierung des Gebäudes gewartet werden, bis die strahlende Masse abgekühlt ist.

Nach einem Besuch am Unglücksort fürchtet Alexander Kaul vom Bundesamt für Strahlenschutz, daß es bei einem möglichen Absturz der Decke des 1986 in kürzester Zeit errichteten Gebäudes erneut zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivität kommen könnte. Gegenüber dem Sender Freies Berlin meinte Kaul gestern, in diesem Fall würden große Mengen staubförmiger Partikel die weitere Umgebung zusätzlich schwer belasten. Es sei nicht auszuschließen, daß die Folgen eines solchen Zusammenbruchs auch in der Bundesrepublik gemessen werden könnten.

Allerdings schloß Kaul aus, daß es noch einmal eine der ursprünglichen Katastrophe vergleichbare Belastung geben könne. Damals seien Gase und Partikel wegen der großen Hitze mehrere tausend Meter hoch in die Atmosphäre geblasen worden. Dies könne nun nicht mehr geschehen. Kaul glaubt auch nicht, daß außerhalb der evakuierten 30-Kilometer-Zone nach einer erneuten Zuspitzung der Situation weitere Umsiedlungen notwendig würden.

In den letzten Wochen war im Westen bekannt geworden, daß der Sarkophag inzwischen unter dem ständigen radioaktiven Beschuß rissig und undicht geworden ist.

gero