Der Friedhof der Enten

Die Felswüste im israelischen Negev-Hochland wird von steinfressenden Schnecken gedüngt. Drei Schneckenarten benutzen Kalkfelsen als Nahrungsquelle. Über die Exkremente der Steinbeißer gelangen beachtliche Mengen Stickstoff in den Boden. Durch diese natürliche Düngung können die Pflanzen im feuchteren Schattenbereich der Felsen schneller und besser wachsen. Die Schnecken lassen die Wüste leben. In unseren Breiten hingegen sind die schleimigen Gesellen manchmal Delikatesse, meistens jedoch nur Schädlinge. Auf dem idyllischen Waldfriedhof in Puchheim bei München gibt es schon seit einiger Zeit eine wahre Schneckenplage. Bürgermei

ster Herbert Kränzlein (SPD) hat jetzt fünf, ökologisch äußerst wertvolle, neue Angestellte engagiert um den Weichtieren den Garaus zu machen. Exakt nach Dienstanweisung, die vorschreibt, daß „Neubeschaffungen in der Garten- und Bauverwaltung umweltfreundlich sein müssen“, hat der Gemeindechef fünf indische Laufenten auf die Schnecken angesetzt. So bedrohen nun natürliche Feinde statt chemischer Keule die Friedhofsruhe der Kriechtiere. „Enten fressen schließlich auch die Eier der Schnecken“, schildert der Bürgermeister die praktischen Vorteile seines Modells. Und Gift gefährde schließlich die Igel, sorgt er sich um sein Friedhofsbiotop. Das Entenmodell hat er sich bei einer Gärtnerei abgeguckt. Für die Testphase habe ihm der Gärtner fünf der schlanken Tiere ausgeliehen. Wenn sie ihre Probezeit

bis Ende November bestehen, werden die Schnabeltiere gekauft.

Probleme bereiten dem Öko-Bürgermeister noch die Bürozeiten der Enten. Bis 19.00 Uhr sind die Tiere täglich im Einsatz. Dann wird der Friedhof geschlossen. Nachts will

der Bürgermeister seine neuen Arbeiter vor den Mardern schützen. Für diese amtliche Fürsorgepflicht braucht er aber einen Entenhüter. In den Ferien bringt seine Tochter die Tiere pünktlich hinter Gitter. Morgens um sechs schickt sie die Tiere wieder zur Arbeit.

Im Gemeinderat ist mittlerweile ein regelrechter Entenkrieg entbrannt. „Der Einsatz ist pietätlos“, empörte sich die CSU -Opposition. Die sofortige Abschaffung des „Verwaltungsmodells Laufente“ sollte mit einem Eilantrag durchgesetzt werden. Doch die rechten Entenhasser haben keine Chance. Bürgermeister Kränzlein bekam Schützenhilfe von der evangelischen und katholischen Kirche. Die Pfarrer sahen die Friedhofsruhe durch Gottes watschelnde Geschöpfe nicht gestört.

Karl Wegmann