Abtreibungsrecht: Alle einig

■ Bonner SPD und CDU einig: Zwei Jahre lang sollen Fristenlösung im Osten und §218 im Westen weitergelten

Jetzt sind alle zufrieden. SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine spricht von einem „entscheidenden Durchbruch“. Seine Parteifreundin Herta Däubler-Gmelin ist sich sicher: „In zwei Jahren wird es eine Fristenlösung für Gesamtdeutschland geben.“ CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble kündigt an, „gesetzliche Regelungen zum Schutz ungeborener Kinder“ würden innerhalb von zwei Jahren „gründlich verbessert“. Nur der CSU-Abgeordnete Wolfgang Bötsch droht: Seine Partei behalte es sich vor, nach zwei Jahren vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen, ob die im Osten praktizierte Fristenregelung verfassungswidrig sei.

Die SPD hat bei den Verhandlungen um das Abtreibungsrecht für die Frauen einiges erreicht. Beim Streit über die Dauer der Übergangsregelung steckte sie gestern dann doch zurück. Zwei Jahre statt fünf Jahre beschloß die Herrenrunde mit Dame gestern in Bonn. Der Gesetzgeber wird im Einigungsvertrag aufgefordert „eine Regelung zu treffen, die den Schutz des vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliksituationen schwangerer Frauen, vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche auf Beratung und soziale Hilfen besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist“. Eine solche Aufforderung ist natürlich nicht bindend, schließlich ist das Parlament frei zu beschließen, was seine Mehrheiten wollen. Rechtsansprüche, Fristenlösung, Streichung des Paragraphen 218 oder Verschärfung - alles ist offen.

Fest steht: Für eine Übergangsfrist von zwei Jahren gilt in der ehemaligen DDR die Fristenlösung und in den westlichen Bundesländern der 218. Eine Frau, die zum Abtreiben von Ost nach West fährt, macht sich nicht strafbar. Falls sich das Parlament innerhalb der zwei Jahre nicht auf eine gemeinsame Lösung einigen kann, wird die Übergangsfrist verlängert. Die Gefahr besteht: Die CSU klagt beim Bundesverfassungsgericht gegen das Verlängern der Übergangslösung und bekommt Recht. Die bayerische Staatsregierung hält immerhin nicht nur die Fristenregelung in der DDR sondern auch das im Westen praktizierte Indikationsverfahren für nicht verfassungsfonform. Und was ist aus Herta Däubler-Gmelins befürchtetem „Indiz für die Verfassungswidrigkeit der Fristenlösung“ geworden? Ein solches Indiz hatte sie darin gesehen, daß für die meisten Übergangsregelungen fünf Jahre gelten sollen, für das Abtreibungsrecht jedoch nur zwei. Ihr Referent erläutert: Der Gesetzgeber werde im Einigungsvertrag aufgerufen eine neue Regelung, inklusive Rechtsansprüche auf Hilfen, zu schaffen. Damit sei das gefürchtete Indiz weg. Etwas vorsichtiger als seine Chefin meint er: „Die Startchancen für die Fristenregelung sind jetzt gut.“

Tina Stadlmayer