DDR will Ex-Zeiss-Chef wieder haben

■ Der Saarbrücker Generalstaatsanwalt hat über die Auslieferung des Ex-Managers noch nicht entschieden

Saarbrücken (taz) - Der DDR-Generalstaatsanwalt hat bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken die Auslieferung des SED -Funktionärs und früheren Generaldirektors des Kombinats Carl-Zeiss-Jena beantragt. Der Saarbrücker Generalstaatsanwalt hat über das Ersuchen noch nicht entschieden. Er wolle dazu Biermann am 7. September anhören.

Biermann war wenige Tage zuvor in Saarbrücken von der Polizei verhaftet worden, eine Aktion, die „offensichtlich über das BKA gelaufen war“, vermutet der Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Messinger. Aber dem erst nachträglich gestellten Antrag auf Genehmigung der Verhaftung gab der Saarbrücker Generalstaatsanwalt nicht statt. Biermann kam daraufhin vorerst auf freien Fuß.

Die Bezirksstaatsanwaltschaft in Gera sucht Biermann wegen des Verdachts der Veruntreuung sozialistischen Eigentums schon seit dem Frühjahr. Nach einer Ende Juni vorgenommenen Gesetzesänderung in der DDR, so Messinger, fallen die dem Ex -Zeiss-Manager zur Last gelegten Taten jedoch inzwischen unter geänderte Strafrechtsnormen. Auch dazu soll Biermann bei seiner Anhörung Stellung nehmen können.

Für Wirbel sorgt im Saarland, daß Biermann in einem Zweithaus des saarländischen Wirtschafsministers Hajo Hoffmann (SPD) verhaftet wurde, wo er seit Februar wohnte. Biermann zufolge besteht zwischen beiden „eine intensive Freundschaft“. Hoffmann will sich dazu nicht äußern. Die Aufnahme Biermanns begründete der Wirtschaftsminister mit „humanitären“ Gründen. Biermann, „gesundheitlich angeschlagen“, habe ihn darauf angesprochen. Er habe eingewilligt.

Der CDU-Fraktionschef im Landtag, Peter Jakoby, bezichtigt Hoffmann der „Kumpanei“ mit ehemaligen SED-Funktionären und fordert „Hoffmanns Rücktritt“. Der Wirtschaftsminister sei auf seiner „peinlichen Pressekonferenz“ eine Aufklärung schuldig geblieben. Er könne sich jetzt nicht „mit seiner Humanitätsduselei herausreden“. Jacoby weiter: „Hätte Biermann Charakter, dann würde er sich selbst den DDR -Behörden stellen. Und wenn Minister Hoffmann ihm hätte einen guten Rat geben wollen, dann hätte er Biermann dazu raten müssen, sich zu stellen.“ Zwar spiele der Kontakt zwischen Biermann und Hoffmann juristisch keine Rolle, wohl aber politisch. Jacoby: „Wenn Hoffmann sich karitativ betätigen will, dann sollte er das für die Opfer des SED -Regimes tun, nicht für die Täter. Jacoby will auch geklärt wissen, ob und welche Kontakte es zwischen Biermann und dem SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine gibt.

Der saarländische FDP-Fraktionschef Norbert Wagner fordert „eine umfassende Aufklärung des Falles Biermann/Hoffmann“. Wagner: „Hoffmann hat damit das Amt des Ministers geschädigt.“ Die FDP erwarte, daß Lafontaine sich zu der Sache äußert. Wagner: „Wenn Lafontaine fürchtet, durch diese Sache Schaden zu nehmen, muß er sich von Hoffmann trennen.“ Hoffmann selbst kündigte an, er werde „nicht zurücktreten“. Die Entscheidung, Biermann zu beherbergen, sieht er „nicht politisch, sondern menschlich“.

Joachim Weidemann