Türkei wartet ab

■ Die Stimmung ist gegen ein militärisches Engagement

„Nobel, kultiviert, feinsinnig und gebildet“ ist laut Lexikon die Bedeutung des alttürkischen Wortes „Celebi“. Der Streich der Geschichte wollte es, daß sich zwei Minister mit dem Nachnamen Celebi an dem irakisch-türkischen Grenzübergang Habur trafen: Der irakische Ölminister Aslan El Celebi und der türkische Staatsminister Isin Celebi. Bei dem Treffen ging es weniger „kultiviert“ zu. Die Irakis forderten die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten. Die Türken - beteiligt am Embargo der Vereinten Nationen ließen abblitzen.

Der Grenzplausch sollte ursprünglich geheimgehalten werden. Doch im Vorfeld des Treffens von UN-Generalsekretär Perez de Cuellar mit dem irakischen Außenminister Tarik Aziz in Amman erschien es dem türkischen Außenministerium opportuner, das Treffen anzukündigen, um wenigstens die Verhandlungsbereitschaft Ankaras anzuzeigen. Denn angesichts der realen Gefahr, die der Türkei als Grenzland droht, empfindet man in Ankara Beunruhigung über das Drängen der USA und der Saudis, die der Türkei eine aktivere Rolle zuweisen möchten. „Das saudische Volk will in den multinationalen Verbänden auch die moslemischen türkischen Soldaten sehen. „Sie werden uns ehren“, ließ der saudische König Fahd die türkische Regierung wissen.

Die Mehrheit in der Türkei lehnt diese Ehre jedoch dankend ab. Allein der starke Mann in Ankara, Staatspräsident Özal, erhofft sich von Fügsamkeit gegenüber den US-Positionen in der Golfkrise Vorteile für die Türkei. „Özal ist zum Falken geworden“, urteilt denn auch der angesehene Kommentator Yalcin Dogan in der Zeitung 'Milliyet‘. Demgegenüber votieren Ministerpräsident Yildirim Akbulut sowie die Mehrheit der Kabinettsmitglieder für ein vorsichtigeres Zusammengehen mit dem Westen - ohne eigenes militärisches Engagement. Auch die Oppositionsparteien und der größte Teil der öffentlichen Meinung drängen auf Verhandlungen und eine diplomatische Lösung, statt sich in militärische Abenteuer zu stürzen. Eines der großen türkischen Meinungsforschungsinstitute, KAMAR, veröffentlichte jüngst die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage. 61,4 Prozent der Türken plädieren für Neutralität der Türkei im Konflikt. Nur 21,0 Prozent der Bevölkerung sind dafür, daß sich die Türkei an einer militärischen Intervention beteiligt. „Kriegsschiffe in den Golf schicken, um an der multinationalen Truppe teilzunehmen, heißt im Ernstfall Kriegspartei sein“, warnte der Vorsitzende der „Partei des rechten Weges“, der konservative Oppositionsführer Süleyman Demirel, der wie alle anderen türkischen Politiker die Invasion des Irak verurteilte. Doch: „Was soll das ganze Kriegführen. Zum Schluß muß man sich ohnehin an den Verhandlungstisch setzen.“

Ömer Erzeren