„Wir haben in Ost-Berlin ganz erheblich aufzuholen“

■ Die neue Berliner FDP-Vorsitzende Carola von Braun zur möglichen Rückkehr zu sozial-liberaler Programmatik

INTERVIEW

taz: Ihre Wahl zur neuen Vorsitzenden markiert eine deutliche Trendwende in der Berliner FDP. Ist das der erste Schritt zur sozialliberalen Koalition?

Carola von Braun: Wir reden nicht über Koalitionen, das kommt nicht in Frage. Was am Abend des 2.12. sein wird, das wissen die Wähler und die Götter. Berlin wird möglicherweise so verändert aussehen, daß die Koalitionsfrage zunächst von den großen Parteien beantwortet werden muß.

Wieso ist Carola von Braun vor anderthalb Jahren als alleinige Kandidatin zum Parteivorsitz gescheitert und kann sich nun mit einer komfortablen Mehrheit durchsetzen?

Der Parteitag lag damals vier Wochen nach dem wirklich schlimmen Ergebnis bei den Abgeordneten-Hauswahlen. Das war noch nicht ausdiskutiert, es gab Rachegelüste und allgemeine Ratlosigkeit.

Die Oxfort-Killer, wenn ich Ihre Delegierten mal so nennen darf, kommen in der Mehrheit aus Ost-Berlin. Sind das alles Sozialliberale?

Ich weiß nicht, ob wir mit solchen westlichen Begriffen noch weiterkommen. Am Sonnabend hat sich etwas gezeigt, was wir vermutlich noch oft erleben werden: Da kamen 550 Menschen mit 250 Menschen zusammen von denen sich viele noch nicht kannten und die über völlig unterschiedliche politische und persönliche Erfahrungen verfügen - und sicherlich ganz unterschiedliche Probleme haben. Daß die Ost -Berliner ganz existentielle Probleme haben, ist offensichtlich. Und daß diese Politikfelder an Bedeutung zunehmen werden, ist auch offensichtlich. Die sozialpolitischen Ideen habe ich in der FDP immer für unterentwickelt gehalten, daß habe ich schon oft kritisiert und bin in meiner Kandidatenrede auch darauf eingegangen. Das hat dann offenbar bei den neuen Delegierten, die mich noch gar nicht kannten, zu dieser Entscheidung geführt.

Was wollen Sie in den verbleibenden drei Monaten dafür tun, damit sie die Fünf-Prozent-Hürde am 2. Dezember schaffen?

Das wird eine sehr harte Zeit werden. Tatsache ist aber, daß wir in West-Berlin wieder über fünf Prozent sind. Wir haben in Ost-Berlin ganz erheblich aufzuholen. Die Hälfte der politischen Arbeit wird sein, in Ost-Berlin Flagge zu zeigen.

Was sagt die neue Vorsitzende denn zum kommunalen Ausländerwahlrecht?

Ich meine, daß das kommunale Ausländerwahlrecht, soviel Sympathie man dafür haben kann, in unserer Verfassung nicht durchzusetzen sein wird. Ich bin schon seit langem für eine Erleichterung der Erlangung einer doppelten Staatsbürgerschaft.

Spielt das Thema „Ausländer“ im Wahlkampf der FDP nach Oxfort eine Rolle?

Mit Sicherheit in einem Punkt: Am Asylrecht kann mit uns nicht rumgefummelt werden.

Interview: ccm