Ein neuer Beirat soll deutschen Juden helfen

■ Staatssekretär will deutsche Juden aus der UdSSR als Vertriebene anerkennen / „Jude“ im Paß kein Ablehungsgrund mehr

West-Berlin. Die in Berlin lebenden deutschen Juden aus der Sowjetunion und Osteuropa sollen als deutsche Vertriebene anerkannt werden. Dies fordert Armin Tschoepe (SPD), Staatssekretär der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Tschoepe will durch die Einrichtung eines neuen Entscheidungsgremiums im Berliner Landesamt für zentrale soziale Aufgaben die bisherige Rechtsunsicherheit für 30 bis 50 Antragssteller beenden. Mit der Anerkennung als Vertriebene würden die aus Osteuropa ausgereisten Juden Rente und nicht nur Sozialhilfe bekommen.

Vorbild der Berliner Initative ist ein kürzlich in Frankfurt eingerichtete Beirat in dem für Flüchtlingsfragen zuständigen Ausgleichsamt. Dieser Beirat wird entgegen der vom Verfassungsgericht bestätigten Rechtsprechung des Bundesvertriebenengesetzes auch ein subjektives Bekenntnis zum Deutschtum akzeptieren. Bisher konnten die aus Osteuropa kommenden Juden, die vor dem Krieg im deutschen Kulturkreis aufgewachsen sind und deutsche Schulen besucht haben, weder in der Bundesrepublik noch in Berlin als deutsche Vertriebene anerkannt werden. Zum einen wird die in den sowjetischen Republiken übliche Eintragung im Pass „Jude“ als Beweis gegen ein Bekenntnis zum Deutschtum interpretiert und zum zweiten wird von den Antragsstellern verlangt, daß sie Dokumente oder Zeugen herbeibringen, die belegen, daß sie vor dem Krieg Angehörige der deutschen Volksgruppe gewesen sind. Als Beweis des Deutschtums gilt laut Bundesvertriebenengesetz die Zugehörigkeit zu einer christlichen Konfession, die Eintragung in die „deutschen Volkslisten“ und die Zugehörigkeit zur SS. Alles Beweise also, die von Antragsstellern jüdischer Herkunft nicht zu erbringen sind.

Durch die Einrichtung eines Beirates will Arnim Tschoepe den Beweisnotstand für deutsche Juden aus Osteuropa abschaffen. „Wichtig ist“, sagte er, „daß den Verwaltungsjuristen neue Argumente gegeben werden, die die historische Situation berücksichtigen. Klargestellt werden muß, daß die Juden die zusätzlichen Beweise für die Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum gar nicht erbringen konnten, weil die Deutschen in der Zeit des Antisemitismus sich dagegen verwahrten, daß Juden auch Deutsche sein können. Deutlich werden muß auch, daß die im Pass eingetragene Nationalität „Jude“ eine Diskriminierung ist“.

Den entsprechenden Paragraphen 6 des Bundesvertriebenengesetzes möchte Tschoepe „am liebsten auf den Müll schmeißen“, denn indirekt, schreibt das Gesetz „nationalsozialistisches Unrecht fort“. Mit der Einrichtung des Beirates will Tschoepe erreichen, daß das „Bekenntnis eines deutschen Juden, Angehöriger der jüdischen Schicksalsgemeinschaft zu sein“, nicht als ein „entgegenstehendes“ Volkstumsbekenntnis gewertet werden kann, auch wenn im Pass als Nationalität „Jude“ eingetragen ist. Historiker und andere kompetente Zeugen, die über die Zwitterstellung der Juden im deutschen Sprach-und Kulturkreis im Vorkriegsosteuropa berichten können und in dem Beirat mitarbeiten möchten, können sich direkt bei Armin Tschoepe, An der Urania 4-10 melden.

aku