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Lügner, Betrüger, Serbe

■ Die Leichtathletik-EM als Propagandaveranstaltung des kroatischen Separatismus

Nun mal ehrlich, die EM in Split war bestens organisiert. Schade nur, daß viele der Jugoslawen eher wenig von der Leichtathletik verstehen. Von keinerlei Sachkenntnis getrübt, tobte und schimpfte das Volk, als der Weitsprungschiedsrichter regelgemäß beim letzten Abdruck im Sand maßnahm. „Lügner, Betrüger, Serbe“, wurde er beschimpft. Den Fans war einfach nicht auszureden, daß nicht der Landeplatz der Füße ausschlaggebend sei.

Ach was, er solle nicht so kleinlich sein, maulten sie und machten sich auf, die jugoslawische Hochspringerin Liljana Petrovic durch unrhythmisches Klatschen um Anlauftakt und Goldmedaille zu bringen.

Leichtathletik hat in Split keine große Zukunft. Hier regieren der Fußballclub Hajduk und die Weltmeister -Basketballer von Yugoplastika. Wen wundert es da, daß die Reihen im Poljud-Stadion während der EM oftmals licht waren. Es gab nur zwei Dinge, die das Volk zuhauf herbeiströmen ließen: einer der Ihren war am Start oder aber, dagegen ist jede Goldmedaille belanglos, der Präsident der Freien Republik Kroatien, Doktor Franjo Tujman, hatte sich angemeldet.

Jeder Besucher, der ihn sehen wollte, wurde per Waffensuchgerät gefilzt. Denn die serbische Minderheit in Kroatien, der seit den ersten freien Wahlen vor einem halben Jahr aufs Heftigste zugesetzt wird, hatte im Vorfeld Sabotageakte angekündigt. Gezielt wollten sie die Prestigeveranstaltung der Kroaten stören. Was nicht eimal ansatzweise gelang. Denn sobald der wie ein Gott verehrte Kroatenchef das Stadion betrat, verschwand alles in einem Heer kroatischer Flaggen. Und richtig schön drin im Separatismus, pfiff man gar die eigenen Mannschaft aus, weil diese mit der offiziellen Fahne Jugoslawiens ins kroatische Stadion marschierte. Verschwand der Präsident, leerte sich auch das Stadion blitzschnell.

Ein politischer Direktaffront gegen den jugoslawischen Staatschef war, daß dieser zwar als Gast zur EM geladen wurde, die Eröffnung jedoch durch den Präsidenten Kroatiens erfolgte. Borislav Jovic verzichtete auf seine Teilnahme. Umso ausgiebiger badete Tujman in der Menge.

Für die Kroaten war die Europameisterschaft nichts anderes als eine gigantische PR-Veranstaltung für ihre Politik und gegen die Serben. Wie lange waren sie von diesen verfolgt und unterdrückt worden. Vergebung oder auch nur Verständnis ist ausgeschlossen. Für viele Jugoslawen - Kroaten wie Serben - scheint kompromißloser Separatismus die einzige Perspektive zu sein. Für außenstehende Besucher ist der lautstarke und allgegenwärtige Nationalismus in erster Linie eines - befremdend.

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