„Eine Schar inkompetenter Schurken“

■ Schwedischer Ökologe übt auf Ostseekonferenz harte Kritik an Polen wegen Untätigkeit bei der Sanierung der Weichsel / Das Flußwasser ist nicht einmal mehr für industrielle Zwecke zu nutzen

Aus Ronneby Reinhard Wolff

Mit einem Paukenschlag wurde die Ostseekonferenz im schwedischen Ronneby eingeleitet. Erik Brammer, schwedischer Koordinator des Projektes zur Sanierung der Vistula (Weichsel), erhob in einem Gespräch mit JournalistInnen schwere Anschuldigungen gegen Polens Regierung. Der polnische Ministerpräsident ist zusammen mit Schwedens Ingvar Carlsson offizieller Gastgeber der Ostseeumweltkonferenz. Brammer: „Das ist absolut paradox, denn die polnische Regierung ist unfähig und unwillig, wirklich etwas für den Umweltschutz zu tun.“

Eine Sanierung der Ostsee ist ohne eine Sanierung der Vistula nicht möglich. Dieser Fluß steht allein für ein Drittel der Dreckflut, die sich täglich in die Ostsee ergießt. Die Brühe, die bei Gdansk das Meer erreicht, ist salziger als deren Wasser. An Schwermetallen, Stickstoff, Umweltgiften steht die Vistula an der Spitze der Ostseeverschmutzer. Auf mehr als der Hälfte ihrer Länge ist ihr Wasser nicht einmal mehr für industrielle Zwecke brauchbar: Es zerfrißt die Gummidichtungen, verstopft die Ventile, greift Metalle an. Trotzdem bekommen es die BewohnerInnen von Krakow und Warschau, der einzigen europäischen Hauptstadt ohne Kläranlage, als Trinkwasser aus dem Hahn.

Die Sanierung des Flusses wurde daher schon vor zwei Jahren zur internationalen Aufgabe erklärt. Ein „Vistula-Projekt“ wurde ins Leben gerufen. Schweden und Polen sollten mit Unterstützung des Weltnaturfonds zusammenarbeiten, um die Dreckfluten zu stoppen. „Zusammenarbeit rettet Polens Umwelt“ lauteten die hoffnungsvollen Schlagzeilen damals. Dafür, daß die Realisierung des Projektes bisher nicht vorangekommen ist, macht der Wasserwissenschaftler Brammer die polnische Regierung verantwortlich: Polen habe 300 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 80 Millionen DM) schwedischer Hilfsgelder bekommen und sie auch ausgegeben aber nicht für die Sanierung der Vistula.

Brammer: „In der Regierung wimmelt es von Leuten, die skrupellos sind, nur daran interessiert, auf ihren Stühlen sitzenzubleiben. Im Umweltministerium sitzt eine Schar von Schurken, die einem ins Gesicht lügen, sich an keine Abmachungen halten, für die Verträge nur ein Fetzen Papier sind.“ Mit den polnischen WissenschaftlerInnen gebe es eine gute Zusammenarbeit, aber auch die seien hilflos gegen die Korruption der Administration. Die ersten Abkommen zur Ausgestaltung des Vistula-Projekts hatte Schweden noch mit Polens ehemaliger kommunistischer Regierung geschlossen. Nach dem Machtwechsel hatte sich die jetzige Regierung bereiterklärt, die entsprechenden Verträge zu erfüllen und das Projekt weiterzuführen. Zusagen, in gleicher Weise wie Schweden finanziell zur Vistula-Sanierung beizutragen, sind nach Aussagen Brammers nicht eingehalten worden: „Soweit ich weiß, ist von polnischer Seite überhaupt nichts gekommen. In Schweden wird gutgläubig Geld gesammelt, um dann irgendwo in Polen in dunklen Kanälen zu verschwinden.“ Polen habe sich weiterhin bereiterklärt, zumindest einen Plan vorzulegen, wie bei der Sanierung vorgegangen werden sollte: „Das ist überhaupt die Grundlage, mit der Arbeit zu beginnen, doch nicht einmal der Ansatz einer Planung wurde bis jetzt vorgelegt.“ Brammer glaubt nicht mehr, mit der jetzigen Regierung bei der Sanierung der Vistula weiterzukommen. Seiner Meinung nach vernachlässigt die Regierung den Umweltschutz ganz bewußt. „Sie hat andere Prioritäten und andere Ambitionen. Sie will dem Westen nacheifern und die Produktion steigern. Umweltschutz glaubt sie auf die lange Bank schieben zu können. Sie ist inkompetent, hat keinerlei Bewußtsein für die Bedeutung des Umweltschutzes. In Warschau wird ein Doppelspiel gespielt: Worte und Taten haben nichts miteinander zu tun.