Scharfe Kritik an Südafrikas Polizei

■ Untersuchungskommission kritisiert Verhalten der Polizei in Sebokeng / Frontstaatengipfel tagte zur Gewalt / Mandela lehnt Treffen mit Buthelezi ab / Erste Politische dürfen Robben Island verlassen

Johannesburg (ap/adn/afp/ips/taz) - Mit ungewöhnlicher Schärfe hat ein von Präsident Frederik de Klerk eingesetzter Untersuchungsausschuß das schießwütige Verhalten der Polizei gegen Demonstranten im Schwarzenghetto Sebokeng bei Johannesburg am 26. März kritisiert. Bei dem Einsatz waren zwölf Menschen erschossen und 281 verletzt worden. In dem von Richter R. J. Goldstone unterzeichneten und am Samstag veröffentlichten Bericht heißt es, daß die Demonstranten die Polizei zu keiner Zeit bedrohten und die Polizisten ohne Befehl das Feuer eröffneten. Auch habe sich ein weißer, mit einer Faustfeuerwaffe ausgerüsteter Zivilist an der Schießerei beteiligt. Mit ihrem Marsch hatten die Demonstranten gegen die Wohnungsnot, zu hohe Mieten und andere Mißstände protestiert. Das Verhalten der Demonstranten hätte allenfalls den Einsatz von Tränengas gerechtfertigt, jedoch auch dies nur nach vorheriger Warnung. Die Beamten hätten beim Einsatz ihrer Schußwaffen „Sorglosigkeit hinsichtlich der tödlichen Wirkung ihrer Munition“ an den Tag gelegt, heißt es wörtlich.

Die harsche Kritik erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Polizei von ANC und anderen politischen Organisationen wegen ihrer Rolle bei den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des ANC und der konservativen Zulu-Organisation Inkatha massiv kritisiert wird. Es ist hinlänglich bekannt, daß ein großer Teil der Kräfte in Polizei und Militär gegen den de Klerkschen Reformprozeß ist und mit der Pro-Apartheid -Partei der Neokonservativen (CP) sympathisiert. Der Bericht könnte de Klerk zu einer härteren Gangart gegenüber dem unter seinem Vorgänger Botha gestählten Apparat bringen. Der für die Polizei zuständige Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, meinte jedenfalls, die Angelegenheit zwecks weiterer Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu übergeben.

Mit der Gewalt in Südafrika beschäftigten sich auch die afrikanischen „Frontstaaten“ am Wochenende in Lusaka. Sie wollen de Klerk in einer nicht näher benannten Botschaft Vorschläge unterbreiten, wie die Gewalt in den Townships der Kaprepublik beendet werden kann. Das sagte Sambias Präsident Kenneth Kaunda zum Abschluß des eintägigen Gipfeltreffens der Vertreter aus Sambia, Botswana, Mosambik, Angola, Tansania und Simbabwe. Wie aus Tagungskreisen bekannt wurde, wirkte der Vizepräsident des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Nelson Mandela, während des Treffens traurig. Die TagungsteilnehmerInnen hatten den südafrikanischen Zulu-Führer Buthelezi für die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den schwarzen Townships verantwortlich gemacht. Kaunda hatte Buthelezi vorgeworfen, die Unterstützung seiner Bewegung durch die „willkürliche Zerstörung menschlichen Lebens“ verloren zu haben. Und Mandela hob nochmals hervor, er lehne ein Zusammentreffen mit Buthelezi ab. Das Gewaltproblem könne nicht von einzelnen Personen gelöst werden.

Passend hierzu belegt eine Umfrage der südafrikanischen liberalen afrikaans-sprachigen Wochenzeitung 'Vrye Weekblad‘, daß drei von vier SüdafrikanerInnen für Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) sind. Nur jede/r Zehnte vertrat die Ansicht, daß allein der bewaffnete Kampf zur Überwindung der Apartheid führen könne. Insgesamt 53 Prozent der Befragten unterstützen die Ziele des ANC, und mehr als 40 Prozent von ihnen wollen Nelson Mandela als zukünftigen Präsidenten. Für de Klerk votierten 26,6 Prozent. In die Umfrage waren insgesamt 4.000 SüdafrikanerInnen aller Rassen einbezogen worden.

Wie am 6. August beim Friedensabkommen zwischen Regierung und ANC beschlossen, sollten am Wochenende die ersten der über 1.000 politischen Gefangenen Südafrikas freigelassen werden. Auf Robben Island, der berüchtigen Gefangeneninsel vor Kapstadt, wurden am Wochenende entsprechende Vorbereitungen getroffen. Wieviele der in erster Linie ANC -Anhänger die Fahrt von der Insel, auf der auch Mandela lange Jahre saß, in die Freiheit antreten konnten, war gestern noch unklar. Allein im Hochsicherheitstrakt sitzen 275 Menschen.

AS