Kriegsgefahr für eine Woche gebannt

■ Keine konkreten Fortschritte nach Gespräch zwischen Perez und Aziz - UN-Generalsekretär „enttäuscht“ über die Haltung Iraks / Bush und Gorbatschow planen Gipfel

Amman/Berlin (taz/ap/dpa) - In der Golfkrise hat es nach intensiven Gesprächen zwischen UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar und dem irakischen Außenminister Tarik Aziz am Freitag und Samstag keine greifbaren Ergebnisse gegeben. Doch macht nicht zuletzt die Ankündigung eines für den 9. September geplanten Gipfels zwischen US-Präsident George Bush und dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow deutlich: Die Gefahr eines heißen Krieges ist zumindest für eine Woche gebannt. Den hochgeschraubten Erwartungen in die Amman-Gespräche wird eine neue Phase diplomatischer Bemühungen folgen. Perez de Cuellar gestern in Amman: „Ich muß ein gewisses Maß an Enttäuschung zugeben, weil ich mir von dem Gespräch mit Aziz mehr versprochen hatte ... Ich hätte mich gefreut, dem Sicherheitsrat über einen wirklichen Fortschritt in Amman berichten zu können.“

Tarik Aziz klammerte den zukünftigen Status von Kuwait, der „Wurzel des Problems“ (de Cuellar) aus seiner Abschlußerklärung am Abend zuvor sorgfältig aus. Zwischenfragen duldete er gar keine. Er meldete nochmals ganz grundsätzliche Bedenken an, daß die Vereinten Nationen ein Forum für die Lösung des Konflikts sein könnten: „Wenn wir vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sprechen, sprechen wir von einer internationalen Körperschaft. Aber er wird von Regierungen gebildet, die nicht neutral sind ... Wie Sie wissen, haben die Regierungen der Länder, die einen Teil der permanenten Mitglieder im UN-Sicherheitsrat stellen, ein nicht gerade freundschaftliches Verhältnis zu dieser Region. Sie haben ... Anwendung von Gewalt in diesem Gebiet unterstützt und gedeckt. Und zum Thema 'Einmütigkeit der internationalen Gemeinschaft‘: Nehmen wir zum Beispiel den erst kürzlich gefaßten Beschluß, eine Kommission in die (israelisch) besetzten Gebiete zu schicken. Ein einziges Mitglied des Rates war in der Lage, die Ausführung des Beschlusses zu verhindern: die Vereinigten Staaten von Amerika, denn sie haben ein Veto-Recht. Stellen Sie sich vor, die arabischen Staaten hätten ein solches Vetorecht: dann wären die letzten fünf Resolutionen nicht angenommen worden.“

Die Stellungnahme des irakischen Außenministers war heute in mehreren jordanischen Zeitungen im Wortlaut abgedruckt, und es war das von Tarik Aziz vorgetragene Argument, auf das sich mehrere Artikel in der englischsprachigen 'Jordan Times‘ bezogen. Die im Irak gestellten Forderungen seien in den Augen der meisten Jordanier und Araber nachgerade ein Musterbeispiel an Scheinheiligkeit. „Erst jetzt, nachdem die 'politische Stabilität‘ erschüttert wurde, wobei die Energieversorgung des Westens bedroht zu sein scheint ... jetzt geht es plötzlich um die Rechtmäßigkeit arabischer Ansprüche (nämlich des arabischen Staates Kuwait) in diesem Teil der Welt.“

Während der Pressekonferenz wurde Perez de Cuellar von einem arabischen Journalisten daraufhin angesprochen: Wieso die UN-Resolution 242 gegen die Politik Israels nicht durchgesetzt worden sei? De Cuellars Antwort: „Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein: Man kann eine Sünde nicht mit einer anderen Sünde rechtfertigen.“

Auch wenn die Arabische Liga am Wochenende mit 13 Stimmen bei insgesamt 21 Mitgliedern den Irak erneut scharf verurteilte: Hauptproblem im arabischen Raum ist die Präsenz der unter US-Ägide stationierten internationalen Truppen. Aus saudi-arabischen Kreisen verlautete denn auch, die fremden Truppen seien da, um das Königreich Saudi-Arabien zu verteidigen: Man werde ihnen nicht gestatten, „offensive Operationen von saudischem Boden aus zu unternehmen“. Dem korrespondierte der US-Kommandeur Norman Schwarzkopf: „Es wird keinen Krieg geben, wenn die Iraker nicht angreifen.“ Hoffnungen, die Krise innerarabisch zu lösen, waren am Wochenende auch durch Berichte aus jordanischen Kreisen gewachsen. Im Zentrum eines Entwurfes zwischen de Cuellar und Aziz habe die Stationierung einer arabischen Friedenstruppe als Puffer zwischen den irakischen Truppen und den in Saudi-Arabien gegen sie aufmarschierten US -Truppen gestanden. Die Sowjetunion sollte als neutrale Vermittlerin bei Gesprächen über einen gleichzeitigen Rückzug der irakischen Truppen aus dem besetzten Emirat und der multinationalen Streitkräfte aus Saudi-Arabien fungieren. Die Sowjetunion hat sich in den letzten Tagen zur Golfkrise geäußert. Nicht nur setzt Moskau mehr denn je auf eine diplomatische Lösung, wie die Gespräche Außenminister Schewardnadses mit seinem chinesischen Kollegen Qian Qichen am Wochenende in Peking belegen. Beide UNO -Sicherheitsratsmitglieder wollen „friedliche Mittel zur Beilegung der Krise“. Kritik am US-Truppenaufmarsch übte der sowjetische Stabschef des Warschauer Paktes, General Lobow. Die unruhigen Sowjetrepubliken Georgien, Armenien und Aserbaidschan lägen sehr nahe am Irak. Die USA hätten die Möglichkeit, Druck auf die Ereignisse in der Region auszuüben. Bush deutete am Wochenende an, er wolle keine Vermittlerrolle der UdSSR, aber die neue, gute Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Gegner fortsetzen.

NC