Unermüdlich gegen den Autoverkehr

■ Bürgerinitiative Westtangente legt dezentrales Eisenbahnkonzept vor / Protest der BI gegen Planung eines zentralen Bahnhofs Lehrter Straße / Ist das das Ende der Planungen zur Grüntangente? / 100 Mark Laternengebühr für die Umweltkarte

Tiergarten. „Was wir durch die Verhinderung der Autobahn erreicht haben, darf jetzt nicht durch Eisenbahnplanungen zunichte gemacht werden“ - mit einem eigenen dezentralen Eisenbahnkonzept reagieren Vertreter der Bürgerinitiative Westtangente auf Überlegungen von Verkehrsplanern und Politikern, künftig einen zentralen Bahnhof im Zentrum der Stadt zu errichten. Ein zentraler Bahnhof Lehrter Straße würde die Untertunnelung oder Überbauung des Tiergartens und das Ende der von der BI geforderten Grüntangentenplanung bedeuten. Riesige Parkplätze, gigantische Hotelbauten und große Zufahrtsstraßen wären weitere negative Auswirkungen eines solchen Konzepts.

Statt eines zentralen Eisenbahnkonzeptes schlägt die BI ein integriertes Konzept vor, das den Innenstadtkern frei läßt. Nach Vorstellungen des Planers Bernd Breitkopf würde die Eisenbahn auf weithin schon existierenden Strecken im Ring um die Stadt herum geführt werden. Die Haltestellen der im Stundentakt fahrenden Intercity- und Interregio-Züge wären gleichzeitig Umsteigebahnhöfe in alle sinnvollen Richtungen und für U- und S-Bahn. Zwar verstehen die Mitglieder der inzwischen 16 Jahre alten BI ihr Konzept als logische Fortsetzung ihres Kampfes gegen den zunehmenden Autoverkehr. Das neue Konzept wirkt jedoch keineswegs stadt- oder gar metropolenfeindlich. Im Gegenteil will Norbert Rheinländer, „daß viele Menschen nach Berlin kommen“, die jedoch „zu 60 bis 80 Prozent auf der Schiene“ anreisen sollten. „Von Luckenwalde“, so die ermunternde Aussage für Umlandbewohner, „muß man abends noch schneller als von Kreuzberg zum Zoo ins Kino fahren können.“

Zur Durchsetzung ihres Konzeptes bedarf es nach Auffassung der Planer jedoch flankierender Maßnahmen wie Senkung der Bahntarife und Erhöhung der Mineralölsteuer. Der autofanatische Berliner soll gegen eine „Laternengebühr“ von 100 Mark mit einer Umweltkarte belohnt und so zum Umsteigen auf die Schiene motiviert werden.

Die Mitglieder der BI sehen eine realistische Chance, daß ihr Konzept bei Parteien und Verwaltungen eine Diskussionsgrundlage bilden wird, zumal nach Berechnungen Breitkopfs die von der Verkehrsverwaltung prognostizierten Reisebewegungen von 40 Millionen pro Jahr in seinem Konzept abgedeckt wären.

In der Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe ist man jedoch wenig geneigt, vom „Zentralbahnhof“ Lehrter Straße, den man so nicht benennen will, abzuweichen; die Ringlösung würde man dort als „verkehrspolitische Fehlentscheidung“ betrachten. Die Reisenden wollten ins „Herz“ der Stadt und nicht an peripheren Bahnhöfen umsteigen, so ein Mitarbeiter der Verwaltung. Auch Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Alternativen Liste, hat sich inzwischen mit dem Lehrter Bahnhof als Kreuzungspunkt der Nord-Süd- und der Ost -West-Strecke angefreundet, wobei er die „Dezentralität erhalten“ wissen will. Der potentiellen Gefährdung des Tiergartens durch die Untertunnelung zwischen Gleisdreieck und Lehrter Bahnhof setzt man bei der Verkehrsverwaltung „Hoffnung“ entgegen, „daß dieser wenig beeinträchtigt wird“. Durch den geplanten Schildvortrieb sei eine Grundwasserabsenkung nicht erforderlich. Die AL baut in bewährter Manier auf eine zu erstellende „Umweltverträglichkeitsprüfung“. Berücksichtigt hat man wohl weder bei der Verkehrsverwaltung noch bei der AL, „daß das endgültige Aus für die grüne Lunge der Innenstadt im Gefolge der Grundwasserabsenkung durch die angedachte Rundumbebauung des Potsdamer Platzes, des Diplomatenviertels, des Moabiter Werders und durch einen Tunnel, egal ob für Autos oder Eisenbahn“, käme.

Sigrid Bellack

Das Konzept der BI Westtangente kann in der Cheruskerstraße 10, Berlin 62 angefordert werden.