Benjamins letzter Tag

■ „Jenseits der Grenze“, ZDF, 22.40 Uhr

Als Walter Benjamin am 27. September 1940 auf der Flucht vor den deutschen Truppen im spanischen Grenzort Port-Bou die Weiterreise durch Spanien nach Portugal verweigert wurde, nahm er sich das Leben.

„Einen Film-Essay“ nennt Gerd Roscher, Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, seine Dokumentation, in der er den letzten Lebenstag des jüdischen Kulturphilosophen (1892-1940) rekonstruiert, seinen mühsamen Aufstieg auf die Pyrenäen, die Überquerung der Grenze auf dem Berggipfel und schließlich die Ankunft im spanischen Grenzhaus, wo ihm die letzte Hoffnung genommen wird.

„Wir sind den Weg noch einmal nachgegangen“, erzählt der Autor, der dabei von der einzigen noch lebenden Zeugin begleitet wurde: Lisa Fittko, die Berliner Emigrantin, die den berühmten Schriftsteller über die französischen Pyrenäen bis an die spanische Grenze geschleust hatte. Gerd Roscher: „Was danach geschah, ist kaum zu rekonstruieren.“ Auch das Grab Benjamins ist bis heute unbekannt.

Der Weg über die Pyrenäen ist für Roscher aber auch „Anlaß zur Rückbesinnung“. Archivmaterialien und Fotos dokumentieren die großbürgerliche Kindheit Benjamins in Berlin, die der Übersetzer Prousts in Form von Prosaminiaturen festgehalten hat (Berliner Kindheit um 1900).

Sie dokumentieren den revolutionären Gestus in Moskau, aber auch das Exil in Paris, wo das unvollendete Passagenwerk entstand. Eine Zeit, die durch den fast vergeblichen Versuch gekennzeichnet ist, ein Auskommen als Schriftsteller und Philosoph zu finden.

Denn nachdem die Universiät Frankfurt seine Habilitationsschrift Über den Ursprung des deutschen Trauerspiels abgelehnt hatte, blieb ihm eine Hochschullaufbahn verwehrt.

Benjamin, der sich als Rezensent, Essayist und Übersetzer betätigte, stand nicht nur dem kulturkritischen Ansatz der „Frankfurter Schule“ (Adorno, Horkheimer und andere) nahe, er blieb auch dem zionistischen Philosophen Scholem lebenslang verbunden.

Das bewegte Leben Benjamins, das der Autor und Regisseur mit subjektiver Kamera festhält, ist für ihn aber nicht nur Sinnbild für das Scheitern eines von den Nazis verfolgten Intelektuellen, vor allem geht es ihm „um das Verfehlte in der bisherigen Geschichte und die Ahnung um kommende Katastrophen“.

Weitere Titel aus dem Spektrum seines literarischen Schaffens: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik, der Aphorismenband Einbahnstraße sowie Angelus Novus, ein Text, der sich auf ein Bild von Paul Klee bezieht.

ks