„Rassistischer Wahlkampf“

■ CDU und Lafontaine (SPD) fordern „Gesetzesvorbehalt“ für Grundrecht auf Asyl / Hessischer Sozialminister läßt Zentrales Aufnahmelager schließen

Frankfurt (taz/dpa/afp) - Die hessische Landesregierung hat am vergangenen Wochenende erneut Öl in die seit den Einlassungen von Oskar Lafontaine (SPD) zum Asylrecht erneut aufgeflammte Debatte um eine Grundgesetzänderung gegossen: Sozialminister Karl-Heinz Trageser (CDU) verfügte die Schließung des Notaufnahmelagers für Flüchtlinge in Schwalbach - angeblich „aus humanitären Gründen“, denn das Lager sei „hoffnungslos überfüllt“ gewesen. Das für 300 Menschen konzipierte Lager hatte zuletzt 700 beherbergen müssen. Weitere 3.600 AsylbewerberInnen seien in 26 Außenstellen untergebracht worden. Und wöchentlich kämen etwa 500 neue Flüchtlinge vor allem über den Rhein-Main -Flughafen nach Hessen.

Daß Trageser außerdem in Sachen Asylrecht eine Grundgesetzänderung forderte, wertete der Landesvorstand der hessischen Grünen als „weitere Zuspitzung der latenten Fremdenfeindlichkeit“. Für Ozan Ceyhun (Motglied des Landes und Bundesvorstandes der Grünen) schürt die hessische Landesregierung - „im Verein mit CDU- und SPD -Bürgermeistern“ - „Panik, Fremdenhaß, Rassismus und nationalistische Vorurteile“, um weiter ungestört eine Politik des wirtschaftlichen Wachstums gegen die Heere der Armen in der Dritten Welt betreiben zu können. Ceyhun: „Da wird ein rassistischer und menschenverachtender Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen.“

Die Grünen forderten die Landesregierung gestern auf, umgehend Verhandlungen mit der US-Army aufzunehmen, um Aslybewerber in den durch den Golfeinsatz der Militärs freigewordenen Kasernen unterbringen zu können. Zur Zeit kümmern sich „Pro Asyl„-Initiativen um die Flüchtlinge, die nicht mehr in das Aufnahmelager gelassen wurden, denn auch die hessischen Kommunen weigern sich, weitere Asylsuchende aufzunehmen.

Auch die rot-grün regierten Städte Marburg, Gießen und Frankfurt haben die Quoten bei der Aufnahme von Asylbewerbern nicht erfüllt. „Es gibt einfach keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr“, erklärte Irene Katheeb vom Frankfurter Amt für Multikultur. Bereits anerkannte Asylbewerber würden keine Wohnungen finden, und so die Hotels und Unterkünfte für AsylbewerberInnen blockieren.

„Alles dicht“ vermeldete am Wochenende auch der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD), der allerdings das Recht auf Asyl nicht beschnitten sehen will. Er insistierte auf eine breitere Verteilung der AsylbewerberInnen. Die DDR soll deshalb „entsprechend ihrer Möglichkeiten“ Asylsuchende aufnehmen. Der sogenannte Königsteiner Schlüssel für die Aufnahme von Asylbewerbern müsse auf die Größe des vereinten Deutschlands umgerechnet werden. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth hat sich erneut in die Debatte eingeschaltet. Mit einem Entwurf für ein Asylbewerber-Leistungsgesetz will Späth die Leistungen für Flüchtlinge auf eine „eigenständige und spezifisch zugeschnittene gesetzliche Grundlage“ stellen. So sollen die Leistungen für Asylsuchende aus dem Sozialhilferecht herausgelöst und vom Bund übernommen werden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU -Bundestagsfraktion, Johannes Gerster, forderte den saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine auf, seinen starken Worten zum Asylrecht endlich Taten folgen zu lassen. Mit einem „Gesetzesvorbehalt“ zum Grundrecht auf Asyl will Gerster den Zustrom weiterer Flüchtlinge stoppen, denn die Anzahl der tatsächlich politisch Verfolgten unter den Asylbewerbern sei verschwindend gering. Die saarländische SPD folgte am Wochenende auf dem Landesparteitag nur bedingt ihrem Vorsitzenden Oskar Lafontaine, der sich - wie Gerster - für einen Gesetzesvorbehalt beim Grundrecht auf Asyl ausgesprochen hatte. Nach Lafontaine soll der Artikel 16 der Verfassung zwar generell bestehen bleiben, doch Ausführungsbestimmungen durch ein neues Bundesgesetz geregelt werden. Die Delegierten des Parteitages jedenfalls vertagten die Entscheidung über den von Lafontaine geforderten Gesetzesvorbehalt.

Allerdings sprachen sich die Sozialdemokraten an der Saar dafür aus, das in Artikel 116 des Grundgesetzes garantierte Einbürgerungsrecht für Einwanderer mit deutschen Vorfahren 45 Jahre nach Kriegsende endlich abzuschaffen. Dagegen trat die bayerische Staatsregierung „mit Entschiedenheit“ an. Mit Bayern sei eine Änderung der Vertriebenengesetzgebung nicht zu machen.

Klaus-Peter Klingelschmitt