„Das ist eine Wiederholung unserer Geschichte“

■ Der Mohawk Peter Deome ist Sprecher der „Mohawk-Nation“ / Das kanadische Militär hat die letzte Bastion einer Handvoll bewaffneter Mohawks der „Gesellschaft der Krieger“ in Kanesatake umzingelt und fordert deren Entwaffnung

Der Mittvierziger Peter Deome ist einer der Sprecher der Mohawk-Nation im Kahnawake-Reservat südlich von Montreal, wo die Krieger der „Warrior Society“ am vergangenen Mittwoch freiwillig ihre errichteten Barrikaden auf einer Brücke abgebaut hatten. Entzündet hatte sich der Streit zwischen Regierung und Mohawks in Oka bei Kanesatake. Dort plante die Gemeinde eine Erweiterung ihres Golfplatzes auf einem Gebiet, das den Mohawks heilig ist.

Doch dieser Streit ist beendet: Längst hat die Zentralregierung in Montreal das Gelände gekauft und bietet es den Indianern an. Jetzt geht es um Strafverfolgung der noch verschanzten einigen Dutzend Mohawks in Kanesatake, denen eine Überzahl an Militär und Panzern gegenübersteht.

Für die englisch- wie französischsprachige Presse in Kanada ist Peter Deome einer der wenigen Mohawks, die den einträglichen Zigaretten- und Waffenschmuggel über die kanadisch-amerikanische Grenze organisieren. Für Deome und die übrigen Mohawks dagegen ist das Geschäft mit Zigaretten, die von weißen Kunden im Kahnewake-Reservat gerne zu Billigpreisen gekauft werden, durchaus legal. Als „Native North Americans“ erkennen sie die Grenze zwischen den USA und Kanada nicht an und sind als Bewohner der Reservate auch der Steuerpflicht enthoben. Wäre Deome kein Indianer, er gälte wahrscheinlich als erfolgreicher Geschäftsmann und nicht als Mohawk-Mafioso.

Radikalisiert, so sagt der eloquente Sprecher der Mohawks, sei er durch die Polizeiübergriffe im Kahnewake-Reservat im Jahre 1988 worden, als die Polizei von Quebec mit Waffengewalt versuchte, dem Zigarettengeschäft Einhalt zu gebieten. Im Vergleich zu den von der Regierung an erkannten Indianervertretern der sogenannten „band councils“ gehört Deome zur militanten Fraktion der Mohawks, die mit den Kriegern der traditionellen „Warrior Society“ (Kriegergesellschaft) geschäftlich wie politisch zusammenarbeitet.

Die Mohawk-Idee der „Warrior Society“ war in den 80er Jahren durch die Schriften des ebenfalls in Kahnewake lebenden indianischen Malers und Schriftstellers Louis Hall wiederbelebt worden. Die einige Hundert starken Warriors sind in Kahnewake und vor allem im Reservat von Akwesasne südlich der kanadischen Grenze im auch unter Indianern umstrittenen Glücksspielgeschäft engagiert. Auf seine Militanz hin angesprochen, erklärte Deome der taz Anfang August im Hauptquartier der „Mohawk Nation“: „Wenn Sie glauben, daß ich ein Radikaler bin, sollten Sie sich lieber mal die Generation anschauen, die nach mir kommt.“

taz: Was ist Ihre Reaktion auf die Versuche der Armee, jetzt auch noch die letzten Krieger notfalls mit Gewalt von ihrem letzten Standort in Kanesatake bei Oka zu vertreiben?

Deome: Wir haben versucht, diesen Konflikt friedlich zu Ende zu bringen. Die Antwort der Behörden waren immer nur Drohungen und noch mehr Drohungen. Wir haben uns einseitig und im guten Glauben an weitere Verhandlungen von den Barrikaden in Kahnawake und Kanesatake zurückgezogen. Dies ist der kanadischen Regierung nun immer noch nicht genug. Die fordern nun unsere bedingungslose Kapitulation. Um ehrlich zu sein, unsere Antwort darauf lautet: Die können sich jetzt selber ins Knie ficken. Dies ist eine Wiederholung unserer Geschichte. Wir haben alles versucht, aber das reicht offenbar nicht. Die wollen mehr, nämlich unser Blut. Das können sie haben, auf eine Art, die ihnen gar nicht passen wird.

Wie sieht denn die gegenwärtige Situation am Golfplatz in Oka aus?

Die Armee hat unsere Leute in der Nähe des Drogenbehandlungszentrums von Kanesatake mit Stacheldraht eingezäunt und umzingelt. Am Montag morgen wurde den Mohawk -Kriegern ein Ultimatum gestellt, innerhalb von 15 Minuten herauszukommen. Ein Soldat hat einen Schuß abgefeuert. Die Situation ist aufs höchste gespannt.

Finden noch Verhandlungen statt?

Nein, dies ist offenbar die Art, wie die verhandeln wollen. Wir haben versucht, die andere Seite an den Verhandlungstisch zurückzubringen, aber die Bundes- und Provinzregierungen haben dies beide abgelehnt. Sie glauben, daß die Lösung nun im militärischen Vorgehen liegt.

War Ihre Forderung nach Souveränität der Indianischen Nation der Stolperstein der Verhandlungen?

Die Forderung nach der Anerkennung unserer Souveränität als Nation ist immer da, davon lassen wir nicht ab.

Worum geht es Ihnen denn mit dieser Forderung genau?

Wir sind die Mohawk-Nation, die als unabhängige Nation Teil der Sechs-Nationen-Konföderation ist. Unsere Souveränität beruht auf einer demokratischen Verfassung, die 1.500 Jahre zurückreicht. Wir haben das gleiche Recht auf Souveränität und Freiheit wie die Schwarzen in Afrika, die Gelben in Asien und die Weißen in Europa. Und dies werden wir nicht aufgeben.

Das Recht auf Souveränität wird von ihnen beispielsweise mit dem Anspruch auf 85 Prozent des Territoriums der Provinz Quebec verbunden. Solche Ansprüche sorgen in der weißen Bevölkerung Kanadas für Unsicherheit und Angst.

Genau darum aber geht es. Wir haben immer betont, daß wir niemanden vertreiben wollen. Aber wir wollen auch einen bestimmten Teil dieses Landes für uns selbst beanspruchen, wo wir dann in Freiheit leben können. Im Augenblick haben wir keine solche Heimat, sondern leben in auf der Karte Kanadas briefmarkengroßen Reservaten.

Was geschieht denn, wenn auch die letzten Mohawk-Krieger jetzt von der Armee vertrieben werden?

Dann sind wir wieder dort, wo wir zu Beginn des Konfliktes um den Golfplatz waren.

Werden dann in anderen Teilen Kanadas wieder neue Barrikaden gebaut?

Barrikaden vielleicht. Aber am Ende wird es in Kanada einen Guerillakrieg geben. Wir haben davor schon lange gewarnt. Stattdessen hat man uns nun wieder ins Gesicht gespuckt.

Wen machen Sie denn für die jetzige Situation verantwortlich: die Regierung in Ottawa oder die Provinzregierung in Quebec?

Beide. Die wollen beide eine Niederlage der Mohawks sehen. Niemand hat uns je im Kampf oder Krieg besiegt, wir haben noch niemandem gegenüber aufgegeben. Kanada will uns in der Person von Premier Mulroney, einem kranken und verrückten Individuum, der für die Kanadier eine peinliche Figur darstellt, nun zur Aufgabe zwingen. Genauso stellt sich die Situation bei dem Provinzpremier Bourassa. Die haben unsere Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung gesehen und gedacht, wir würden aufgeben. Dies werden wir jedoch nie tun.

Das Gespräch führte Rolf Paasch telefonisch aus Washington