Nepals König bliebe gerne länger Souverän

■ Fünf Monate nach dem Sieg der Demokratiebewegung soll die Verfassung das Ende des Hindu-Königreiches besiegeln

Aus Katmandu Tom Trekker

Seit dem Sieg über das Panchayat-System im April nehmen die Nepalis die Demokratie beim Wort: Diskutieren ist Nationalsport. Die Polizei, die während der Aufstände etwa 90 Personen erschoß, wird kaum noch respektiert. Wilde Streiks treiben die Industrie des Agrarlandes Nepal an den Rand des Ruins.

Und ein zweimonatiges Gewerkschaftsverbot, das die Regierung zur Abwehr selbsternannter Arbeiterführer und zur Schaffung tarifvertraglicher Regelungen erlassen hat, dürfte die Fronten eher noch verhärten. Der Handelsstreit mit Indien ist zwar beigelegt, aber wirtschaftlich hat sich Nepal von seiner Revolution noch nicht erholt.

Wie zum Trotz fallen allerdings die Touristen, größte Devisenbringer des bettelarmen Landes, schon wieder in das Katmandu-Tal ein: Mit dem Niedergang des letzten Hindu -Königs hat Nepal nun auch eine politische Attraktion zu bieten.

Die letzten Tage von Nepals König Birendra Bir Bikram Shah als Monarch von Götter Gnaden sind gezählt. Ende dieser Woche soll dem Herrscher ein Entwurf für eine demokratische Verfassung übergeben werden und das Ende des letzten Hindu -Königreichs besiegeln. Nach diesem Entwurf, der den Sieg der Demokratiebewegung vom April juristisch absichert, wird Nepal eine konstitutionelle Monarchie nach britischem Vorbild. Der mit absolutistischer Macht ausgestattete König, als Wiedergeburt der Hindu-Gottheit Vishnu verehrt, soll nicht länger über der Verfassung stehen, sondern das Volk wird Souverän und durch ein Zwei-Kammer-Parlament repräsentiert.

Zunächst einmal ist aber die ganze Allmacht des Königs gefordert: Allein Birendras Unterschrift kann die neue Verfassung in Kraft setzen. Doch der Herrscherclan gibt seine Pfründe so leicht nicht auf. Während Birendra auf Zeitgewinn setzt, droht sein Bruder Gjanendra kaum verhohlen mit einem Militärputsch.

Seit Wochen sind im Katmandu-Tal vermehrt Truppenbewegungen zu beobachten. Ängste vor einem Bürgerkrieg oder einer indischen Invasion kommen auf. Westliche Botschaften haben bereits Evakuierungspläne vorbereitet. Birendra selbst verzögert bislang nur. Die Übergangszeremonie, in der er als bloßer Repräsentant der Nation den Verfassungsentwurf der Mehrparteien-Regierung weiterreichen soll, ließ er mehrfach verschieben - damit die Sterne günstiger stehen.

Der Verfassungsentwurf ist in einer Rekordzeit von drei Monaten ausgearbeitet worden: Dutzende ausländische Experten gaben nützliche und unerwünschte Ratschläge. Stiftungen, auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, sponsorten mit sechsstelligen Beträgen Seminare - bis zu fünf an einem Tag. Mehr als 10.000 Vorschläge sammelte die neunköpfige Verfassungskommission bei Reisen durch die Provinzen.

„Damit können wir zufrieden sein“, erklärte Rechtsanwalt Kusum Shrestha, Präsident der „Nepal Law Society“, zu den vorab bekanntgewordenen Eckpunkten der Verfassung. Königsbruder Gjanendra wird nicht länger zu der mit einem fünffachen „Shri“ anzuredenden Königsfamilie gezählt. Der König bleibt zwar Oberbefehlshaber der Truppen, wird aber von einem Parlamentsausschuß kontrolliert. „Wir müssen sehen, wie das dann funktioniert“, gab Shrestha zu bedenken.

Ende der 50er Jahre dauerte das Intermezzo einer parlamentarischen Demokratie am Himalaya nur 15 Monate. Nach einem unblutigen Putsch löste Birendras Vater Regierung und Parlament auf, verbot alle Parteien und erließ die bis jetzt gültige Ständeverfassung, nach der alle Macht vom König ausgeht.