Preußens Gloria in Schutt und Asche

■ Am 6.9.1950 begann die Sprengung des Berliner Stadtschlosses / Philharmonie-Erbauer Scharoun u.a. protestierten

Mitte. Der hoffnungsvollen Zeitungsschlagzeile „Es ist noch Leben im Berliner Stadtschloß“ Ende 1945, als ein Reporter der im sowjetischen Sektor erscheinenden 'Berliner Zeitung‘ durch die Ruine des bombardierten Schlosses im Herzen der Stadt streifte, folgte fünf Jahre später das endgültige Todesurteil für eines der größten und bedeutendsten, in fünf Jahrhunderten gewachsenen Barockbauwerkes diesseits der Alpen. Architekten und Bildhauer wie Andreas Schlüter, Eosander und Caspar Theyß hatten diesen sicherlich schönsten Berliner Profanbau geschaffen, der nach Meinung von Kunstwissenschaftlern „den hauptstädtischen Rang Berlins am großartigsten verkörperte“.

Am 6. September 1950 begannen die Sprengkommandos mit ihrer Zerstörungsarbeit. Am ersten Tag fiel die Alte Hofapotheke, am 15. September folgte der rechte Schloßflügel an der Schloßfreiheit, am 4. November die Hauptfront des Schlüterhofs, bis am 30. Dezember 1950 mit der Sprengung des Eosander-Portals mit der Schloßkuppel der Platz für den vom SED-Regime gewünschten Aufmarsch- und Paradeplatz geschaffen worden war. Nur für sein späteres, in unmittelbarer Nachbarschaft errichtetes Staatsratsgebäude ließ Ulbricht ein Portal des Schlosses retten und einbauen. Aus dem Lustgarten wurde der Marx-Engels-Platz. Alle Warnungen und Appelle aus dem In- und Ausland konnten diese, wie manche sagten, „Kulturbarbarei“ nicht verhindern.

Zu den entschlossenen Mahnern zählte damals neben dem ersten Berliner Baustadtrat und späteren Erbauer der Philharmonie, Hans Scharoun, der Leiter an der Kunstgeschichtlichen Fakultät der Ostberliner Humboldt -Universität und DDR-Nationalpreisträger Richard Hamann, der in einer an Oberbürgermeister Friedrich Ebert (SED) gerichteten Denkschrift für den Erhalt des Schlosses plädierte: „Dadurch würde Berlin ein Zentrum bewahren, das neben den großen historischen Erinnerungsstätten und repräsentativen Monumenten anderer Orte wie dem Zwinger in Dresden, dem Louvre in Paris, dem Dogenpalast und Markusplatz in Venedig, dem Hradschin in Prag und dem Kreml in Moskau würdig bestehen könnte.“

Aber das Schloß, ehemalige Residenz der Hohenzollern als brandenburgische Markgrafen, Kurfürsten, preußische Könige und deutsche Kaiser, mußte nach dem Willen der SED mit Walter Ulbricht an der Spitze fallen, um einen Berliner „Roten Platz“ zu schaffen. Das Schloß zählte für die Partei nicht zum „deutschen Kulturerbe“, sondern war für sie ein „Denkmal der Reaktion und des Feudalismus“. Es wurde kurzerhand per Regierungsbeschluß trotz gegenteiliger Gutachten zur „nicht mehr aufbauwürdigen Ruine“ erklärt.

Ulbricht hatte dazu im Sommer 1950 auf einem SED-Parteitag das ideologische Startsignal gegeben, als er einen Wiederaufbau des Berliner Stadtzentrums „im Sinne des Volksempfindens“ forderte und es dabei deutlich wurde, daß der erste Bauabschnitt dazu den Abriß des Schlosses voraussetzte. Den vehementen Widerstand gegen diese Pläne dokumentiert der Band Das Berliner Stadtschloß . Geschichte und Zerstörung von Bodo Rollka und Klaus-Dieter Wille (Verlag Haude u. Spener, Berlin). Heute steht auf einem Teil des Schloßareals der „Palast der Republik“, der letzte große Renommierbau der DDR mit dem Sitz der Volkskammer.

Andere Denkmäler aus dem Schloßbereich sind heute im Ost und Westberliner Stadtbild verteilt, wie das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten (Schloß Charlottenburg), das Standbild des Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen (Nikolaiviertel) und der Neptunbrunnen (vor dem Roten Rathaus). Zu den Nebengebäuden des Schlosses, die zum Lustgarten hin entstanden, zählte schon in der Frühzeit der Marstall mit der Rüstkammer, der Vorgängerin des späteren Zeughauses. Die DDR richtete dort ein „Museum für Deutsche Geschichte“ ein, dessen Abteilung „1949 bis zur Gegenwart“ gleich nach dem 9. November 1989 geschlossen wurde. Am 15. September nun, zwei Wochen vor dem Ende der DDR, schließt das Museum gänzlich seine Pforten.

Wilfried Mommert/dpa