Wohnhaus statt „Wilde 15“

■ Ehemaliges Obdachlosenasyl geräumt / Nachbarskinder sitzen auf der Straße / Das guterhaltenes Haus soll größerem Wohnhaus weichen

Wedding. Die Vertreibung aus dem Paradies ist gelungen. Die „Kiezidylle für Kinder“ in der Willdenowstraße 15 existiert seit gestern nicht mehr. Bereits um sieben Uhr morgens rückte ein polizeiliches Räumkommando an, anschließend wurde das doppelstöckige Flachgebäude mit der Abrißbirne plattgemacht.

Fünfzehn Obdachlose hatten in dem Haus bereits vor Monaten eine Bleibe gefunden. Sie hätten in dem ehemaligem Obdachlosenasyl, genannt „Wilde 15“, aber nicht nur gewohnt, wie Killi-Willi, einer der Bewohner, erzählt, sondern ein Zentrum für die Nachbarskinder aufgebaut: Über hundert Kinder seien täglich vorbeigekommen zum Basteln oder Malen, hier wurden Hoffeste und Filme genauso aufgeführt wie Theaterstücke, die sich die Kinder selbst ausgedacht hatten. „Wir sind ein Team“, hatte ein anderer Bewohner noch vor wenigen Wochen erklärt, „um uns rauszukriegen, muß man uns raustragen.“ - Doch schon damals war das Räumungsverfahren gegen die Bewohner bereits abgeschlossen. Die Abrißgenehmigung lag ebenfalls vor, das mit Parkettböden, gefliesten Bädern, neuer Fernwärmeheizung und einer gekachelten Küche ausgestattete Gebäude soll einem größeren Wohnhaus mit zwölf bis dreizehn Wohnungen weichen. Die Mittel für den Neubau wurden von der Wohnungsbaukreditanstalt bereits bewilligt. Die Räumung kam dennoch überraschend. Der Weddinger Sozialstadtrat Hans Nisble (SPD): „Wir haben überhaupt nichts davon gewußt, deshalb konnte auch der Sozialdienst morgens nicht vor Ort sein.“ Ganz verständlich ist auch ihm die Räumung nicht, „das Haus war in einem sehr guten Zustand“, die Bewohner hätten sehr viel Eigeninitiative gezeigt und die Kinder, wie er selbst erlebt habe, „viel Spaß daran gehabt“. Doch weder der zuständige Baustadtrat Scholz noch der Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft Proterra, Brüggenkamp, waren gestern erreichbar. Bereits Anfang August meinte Horst Hawlicek, stellvertretender Bürgermeister vom Wedding, hier sei ein „vernünftiges Mietshaus geplant anstelle des Flachbaus, der nicht ins Bild paßt“. Und im bezirklichen Stadtplanungsamt hieß es, daß es sich nicht um ein Wohnhaus, sondern ein ehemals gewerblich genutztes Gebäude der Berliner Stadtreinigung handele.

So oder so: Die Kinder aus dem Kiez wie auch die Bewohner alle 15 sind Sozialhilfeempfänger - finden sich nun auf der Straße wieder. Wenn jedoch der Wunsch bestehe, so Nisble zur taz, wolle er sich um etwas anderes bemühen. Den ehemaligen Bewohnern gegenüber verhielt er sich nach ihren Angaben jedoch nicht so jovial: Er habe sie mit Hilfe der Polizei aus seinem Büro drängen lassen und an den Sozialdienst verwiesen. Dort wurden ihnen zwei Pensionen, in Schöneberg und Tegel, angeboten. Doch die ehemaligen Bewohner der „Wilden 15“ wollten zusammen im Wedding bleiben. Daraufhin habe es beim Sozialdienst geheißen: „Dann gibt es eben nichts!“

maz