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Für Brüssel sterben?

■ Türkische Regierung hofft durch ihren Nato-Kurs auf eine EG-Eintrittskarte / Linker Anti-Imperialismus kommt im Volk gut an

Aus Istanbul Ömer Erzeren

Eine US-Flagge, darin gewickelt eine Hand, die ein blutiges Messer hält. Auf dem blutigen Messer die Nationalflagge der Türkei. „Die USA wollen den türkischen Soldaten in den Irak schicken.“ Die Titelgeschichte des Nachrichtenmagazines 'Yüzyil‘ kommt beim linken Publikum an. Die alte Formel, wie Kommunisten zu imperialistischen Kriegen Stellung nehmen sollen - „Krieg dem Krieg“ - ist in der Türkei zu neuem Leben erwacht. „Wer wird in einem Krieg sterben? Der türkische Soldat. Für wen? Für die Kapitalisten, die Scheichs und die Emire, die in London hocken“, so der Leitartikel. Die türkische Linke, sonst eher zum Schattendasein verurteilt, gewinnt mit ihren Positionen zum Golfkonflikt breite Sympathie.

Im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Staaten ist die Krise hier seit Wochen innenpolitisches Streitthema ersten Ranges; erst wirkt selbst bis in die Komunalwahlen hinein.

Der Staat beäugt die Propaganda gegen die Kriegstreiberei mit Mißtrauen. Als die Ankaraer Ärztekammer anläßlich des Antikriegstages am 1. September öffentliche Aktionen plante, verbot der Gouverneur diese kurzerhand: „Sie könnten auf die Straßen überschwappen und somit die Ruhe der Bevölkerung stören.“ Die Angst der Herrschenden vor den Antikriegsaktivitäten ist allzu verständlich. Denn der Widerstand gegen den Kurs des türkischen Staatspräsidenten Özal (dessen Wunschtraum es ist, durch stramme US-Folgschaft sich das Eintrittsbillet der Türkei für die EG zu erkaufen) kommt in der Bevölkerung an.

Große Teile der türkischen Linken sympathisieren dabei keinesweges mit dem Diktator aus Bagdad. Immer wieder wird die lange Liste der Verbrechen Saddams thematisiert. Doch den westlichen Politikern wird Doppelzüngigkeit vorgeworfen, wenn sie von der Souveränität Kuwaits reden. „Wo waren die westlichen Länder, als 5.000 kurdische Zivilisten in Halabja ermordert wurden?“, fragt der Vorsitzende der „Arbeitspartei des Volkes“, Fehmi Isiklar. Isiklar unterstüzt zwar das UN -Embargo, doch ein Krieg nütze nur den „Imperialisten, die die Erdölfelder unter Kontrolle bringen wollen.“

Die Angst, von den USA für „imperialistische Zwecke militärisch mißbraucht“ zu werden, sitzt tief: Das Eintrittsbillet für die türkische Nato-Mitgliedschaft war die Teilnahme türkischer Soldaten am Korea-Krieg. Nach den USA war die Türkei das erste Land, das 1950 Truppen nach Korea schickte; 2.000 Türken kamen an den besonders gefährlichen Frontabschnitten um.

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