„Dies wird neue Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zur Folge haben“

■ Interview mit dem rheinland-pfälzischen Justizminister Peter Caesar zur derzeitigen Diskussion über die Verschärfung des Asylrechts

INTERVIEW

taz: Kurz vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen wollen einige Politprofis und Popularisten den Wählerstimmen zuliebe das Asylrecht opfern. Sie sind einer der Politiker, die dieses Grundrecht verteidigen - und ernten damit vor allem Beschimpfungen aus der Bevölkerung und Rüffel von der CDU. Bedrückt Sie diese Demagogie nicht?

Peter Caesar: Ja, es bedrückt mich, daß das Thema jetzt wieder so hochkommt und zwar ausgerechnet im Vorwahlkampf. Ich habe zwar Verständnis dafür, daß man in vielen Kommunen wegen der Überlastung nicht mehr mit dem Problem fertig wird.

Aber gerade deshalb muß man das Thema sachlich angehen. So wie das Thema jetzt hochgespielt wird - von Teilen der Union, wie von Lafontaine und anderen SPDlern - wird dies nur neue Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus zur Folge haben. Gerade frühere Wahlkämpfe haben gezeigt, daß mit der Thematisierung „Ausländer“, auch das Schlagwort „Ausländer raus“ verbunden war.

Ist die „Flüchtlingsflut“ nicht wieder ein Schlagwort, das dazu dient, einen Eisernen Vorhang um Gesamtdeutschland zu ziehen?

Das Thema ist akut. Die Zahlen haben gewaltig zugenommen. Und der weit überwiegende Teil kommt nicht aus politischen, sondern wirtschaftlichen Gründen, weil sie in Westeuropa und vor allem in Deutschland ein Schlaraffenland sehen. Den Mißbrauch des Asylrechts, den leugne ich nicht.

Aber greifen dagegen die derzeit erwogenen Maßnahmen: einzelne Länder gänzlich aus der Flüchtlingsliste streichen, stärkere Grenzkontrollen, sogar Grenzgerichte?

Diese Pläne sind inhuman und noch dazu völlig ineffektiv. Lafontaines Vorschlag, nach einer Änderung oder Ergänzung des Artikels 16 des Grundgesetzes ganze Volksgruppen auszugrenzen, griffe derzeit nur für die Polen. Die aber kommen kaum noch als Asylsuchende, sondern als Touristen und Arbeiter.

Bei allen anderen kann man nicht pauschal sagen: „Ihr werdet nicht mehr anerkannt“. Selbst bei geringer Anerkennungsquote gibt es zum Beispiel verfolgte Jugoslawen aus Kosovo, christliche Minderheiten aus der Türkei, die politisches Asyl bekommen. Grenzgerichte sind ebenfalls untauglich. Das Recht auf eine Einzelfallprüfung, würde verloren gehen. Außerdem würden die eigentlichen Schlepperkolonnen diese Kontrollinstanzen sowieso umgehen.

Haben Vorstöße, das Grundrecht auf Asyl einzuschränken, Aussicht auf Erfolg?

Asyl ist leider ein Wahlkampfthema geworden. In der Bevölkerung würde man eine große Mehrheit - 80 bis 90 Prozent - für die Änderung des Asylrechts finden. Und nur deswegen sind Lafontaine sowie Politiker in der Union auf diese Idee gekommen. Aber die Umsetzung wird nicht so bald erfolgen. Denn eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat scheint mir nicht erreichbar. Selbst die Bonner SPD-Fraktion wird das nicht mitmachen. Die FDP ist klar dagegen. Also viel Wahlkampfgeschrei, viel Schaden - aber keine Ergebnisse.

Die jetzige Diskussion ist doch auch deswegen schon überflüssig, weil Bonn im letzten Jahr bereits Änderungen im Asylverfahren beschloß, die ab 1. Januar 1991 in Kraft treten.

Diese Änderungen werden derzeit einfach nicht registriert. Da wurde gesagt, sie hätten „gar nicht gegriffen“. Aber sie können es natürlich gar nicht, weil sie noch nicht in Kraft sind. Die Änderungen sollen die Verfahren straffen.

Das Zweite, das ich anmahne ist der Mut, abgelehnte Asylbewerber in ihre Herkunftsländer zurückzuweisen.

Dies betrifft rund 80 Prozent der Asylbewerber. Ausnahme bleiben dabei aber all jene, die unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen - das „kleine Asyl“. Das sind ungefähr 15 Prozent aller Asylsuchenden. So würde man gegenwärtig niemanden in den Irak abschieben.

Und was halten Sie davon, den Flüchtlingen Naturalien statt Geld zum Lebensunterhalt zukommen zu lassen?

Das widerspricht nicht dem Rechtsstaat. Es soll ja kein Anreiz gegeben werden, daß die Leute sich einen Fernseher kaufen. Sie sollen nur angemessen unterhalten werden, nicht hungern und nicht dürsten.

Wird Rheinland-Pfalz auch zu dieser Praxis übergehen?

Falls die dafür zuständige Sozialministerin dies vorschlüge, so würde ich mich dem nicht entgegenstellen.

Interview: Joachim Weidemann