Neu in der Schauburg: „Eine Welt ohne Mitleid“

■ Aus dem Leben eines Taugenichts oder Warum „Außer Atem“ nicht wiederholbar ist

Hippo ist einer, der sich durchs Leben mogelt. Er arbeitet nicht, er studiert nicht, er ist nicht einmal ein Bandit, wie er seiner Freundin Nathalie gesteht.

Das hätte sie ja noch verstanden: Jean-Paul Belmondo war doch in „Außer Atem“ auch solch ein Filou und dabei unwiderstehlich. Aber heute geht das so nicht mehr.

Mit diesem Dilemma mußte der Regisseur Eric Rochant bei seinem ersten Film fertig werden: die Bohemiens und „Aussteiger“ konnten sich bequem und wirkungsvoll in den Filmen der sechziger und Siebziger Jahre tummeln. Aber im Paris der späten achtziger Jahre hat einer wie Hippo nie die Chance gehabt, einzusteigen; und als romantischer Antiheld macht er sich schnell lächerlich.

Irgendwie hat Rochant es dann doch geschafft, die Respektlosigkeit und den Esprit der Nouvelle Vague ins heutige Paris hinüberzuretten. „Un Monde sans Pitie“ erzählt von Hippos alltäglichem Leben, in dem der Besuch des Stromablesers einen spannenden Höhepunkt darstellt. Hippo lebt vom Geld seines jüngeren Bruders, der noch zur Schule geht und dealt - hin und wieder gewinnt Hippo auch beim Kartenspielen. Sein Freund Halpern schläft in einer Ecke von Hippos Wohnung und sieht mit seinen drei übereinandergetragenen Mänteln schon aus wie ein Clochard. Ausgerechnet er beklagt sich: „Die Frauen wollen aus vernünftigen Burschen wie uns nur glattrasierte Yuppies machen.“

Natürlich ist es eine Frau, die Hippo aus seinem bequemen Trott herausreißt. Natalie ist ein ordentliches Mädchen, fleißig und bieder, und es kostet Hippo schon all seine Überzeugungskraft, sie auch nur in sein verbeultes Auto zu kriegen. Erstmal wird er eifersüchtig auf ihre Arbeit, und sie nennt ihn einen Parasiten.Aber dann zeigt er ihr, wie man nachts mit einem Fingerschnipsen den Eiffelturm verdunkeln kann. Es ist die gleiche Geschichte, die schon bei Belmondo und Seberg uralt war, und genau wie Godard benutzt Rochant sie nur als den Faden, an dem er pointierte und poetische Szenen mit genauem Gespür für Atmosphäre aneinanderreihen kann.

Diese Mischung aus realistischer Tristesse und ironischer Nonchalance - und Rochants unbedingte Sympathie für seine Figuren, machen den Film zu einem stilsicheren und sehr angenehm anzusehenden Erstlingswerk. „Hippo ist mir selbst ziemlich ähnlich“, sagt Rochant, und: „Wer das Kino liebt, liebt auch das Leben. So auch Hippo, sonst hätte er sich schon längst umgebracht. Er hat nur seine Lebensanschauung den Umständen angepaßt.“ Wilfried Hippe

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