: Teurer Baustopp in Gabcikova-Nagymaros
■ Schiedsgericht entscheidet über Schadenersatzforderungen aus Wien
Aus Budapest Roland Hofwiler
Der Name Gabcikova-Nagymaros war für Jahre bei den oppositionellen Bewegungen Osteuropas in aller Munde. Das monströse Kraftwerksprojekt zwischen Bratislava und Budapest, in einer einzigartigen Auwaldlandschaft der Donau gelegen, sollte nach den Vorstellungen der kommunistischen Regierungen in Prag und Budapest das größte Wasserkraftwerk Europas werden. Schon von den Stalinisten in den 50er Jahren geplant, aber technologisch unrealisierbar, glaubte man zu Beginn der 80er Jahre einen Traum verwirklichen zu können: Ungarische, slowakische, sowjetische Firmen zusammen mit dem Know-how westlicher Partner aus der Bundesrepublik und Österreich wollten am südlichen Donaulauf von Bratislava mehrere Stauseen und Staustufen errichten. Doch in einem hatten sich die Bauherren verrechnet: im Bürgerprotest. 1984 wurde in Nagymaros die erste grüne Bürgerinitiative Osteuropas aus der Taufe gehoben, Demonstrationen, unbekannten Ausmaßes ließen die Herrschenden zittern. 1985 wurde dem „Donaukreis“ (Duna kör) der alternative Nobelpreis für Umweltschutz verliehen, im Mai 1989 wurde das endgültige Aus des Mammutprojektes von der damals noch reformkommunistischen Regierung Ungarns verkündet.
Doch mit der Freude über das Ende des Bauvorhabens, das nicht nur das Trinkwasser gefährdet hätte, sondern auch Unsummen an letzendlich unrentablen Investitionen verschlungen hätte, kam das Erwachen über die Schadensersatzkosten westlicher Kapitalgeber. Als im Mai letzten Jahres die Ungarn und Slowaken über den Baustopp jubelten, erklärte der österreichische Kanzler Franz Vranitzky, sein Land sei aber nicht reich genug „um einfach Millionen Schilling abzuschreiben, die in das Projekt investiert wurden“. Von diesem Augenblick an kamen aus Wien nur Schadenersatzansprüche: Die Wiener Regierung habe für die österreichischen und deutschen Firmen gebürgt, und diese wollten nun zwischen 800 Millionen bis 1,1 Milliarden Schilling Schadenersatz.
Über ein Jahr lang hat Budapest versucht, die Bürgschaften umzuwandeln in Neuaufträge anderer Kraftwerksprojekte oder in Hotelbau, Ausbau von Straßen und nicht zuletzt für die Weltausstellung Wien-Budapest die beide Staaten 1995 bestreiten wollen. Vergebens. Vom österreichischen Außenministerium hieß es, Budapest halte sich nicht „im Einvernehmen gutnachbarschaftlicher Beziehungen“ und verschleppe seine Zahlungsverpflichtungen „mit Winkelzügen“. Selbst die großen österreichischen Parteien, die früher die Proteste ungarischer Umweltschützer honorierten, erklären nun, man wolle Schadenersatz sehen.
Gestern lief die von Wien gesetzte Frist ab. Nun wird ein Schiedsgericht in Zürich die Forderung der österreichischen Seite prüfen und die Gegenargumente Ungarns hören, wonach sich die neue Antall-Regierung nicht in jedem Punkt verpflichtet sieht, für jede „Fehlinvestitionen der Kommunisten“ verantwortlich zu sein. Die Ungarn hoffen, auf internationaler Bühne mehr Verständnis ernten zu können als bei den bilateralen Verhandlungen mit dem westlichen Nachbarn. Ein teures Pokerspiel, denn nun fordert Wien von Budapest „aufgrund der rechtsunmäßigen Zahlungsverschleppung“ zwei Milliarden Schillinge Schadensersatz - für das gebeutelte Ungarn mit seinen 15 Milliarden Dollar Auslandschulden eine große Hypothek.
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