Kein Durchbruch bei 4+2-Gesprächen

■ Finanzierung des bilateralen Abkommens nach wie vor umstritten / Einigung über sicherheitspolitische Fragen stehen aus / Balten planen Demarche bei Moskauer 4+2-Verhandlungen

Bonn/Berlin (taz) - Trotz der gestern bei bilateralen Verhandlungen zwischen Bonn und Moskau erzielten Vereinbarung über ein Stationierungs- und Abzugsabkommen für die sowjetischen Truppen auf dem heutigen Gebiet der DDR konnte bei den Vier-plus-zwei-Verhandlungen in Berlin auch am dritten Sitzungstag noch kein abschließendes Dokument über die „äußeren Aspekte“ der deutschen Vereinigung erstellt werden. Die Finanzierung des bilateralen Abkommens ist nach wie vor umstritten. Bei den Vier-plus-zwei -Gesprächen steht immer noch die Einigung über zentrale sicherheitspolitsche Fragen aus.

Bundesfinanzminister Waigel und sein sowjetischer Amtskollege Sitarjan hatten am Donnerstag morgen nach einer 18stündigen Verhandlungsrunde Einigung über das Abkommen erzielt, das den weiteren Aufenhalt sowjetischer Soldaten auf deutschem Boden nach der Vereinigung am 3. Oktober, ihren Abzug bis 1995 sowie die Bonner Beteiligung am Wohnungsbau für in die UdSSR zurückgekehrte Soldaten regelt. Doch während Moskau eine Gesamtsumme von zehn Milliarden D -Mark zur Finanzierung dieser Maßnahmen fordert, ist Bonn bislang nur zur Zahlung von rund 3,5 Milliarden D-Mark bereit. Zwar liefen die bilateralen Verhandlungen zwischen Bonn und Moskau formal unabhängig von den Vier-plus-zwei -Gesprächen zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten. Doch ist vor einer Einigung in der Finanzierungsfrage nicht mit der Fertigstellung des Vier -plus-zwei-Abschlußdokumentes zu rechnen.

Die Verhandlungen der Spitzenbeamten aus den Außenministerien der sechs Staaten im Ostberliner Schloß Niederschönhausen wurden nach einer Unterbrechung am Mittwoch gestern wiederaufgenommen. Wie bereits am Dienstag abend führte der sowjetische Delegationsleiter während der Verhandlungspause ausgedehnte telefonische Konsultationen mit der politischen Führung in Moskau. Die Sowjetunion besteht weiter darauf, daß das Schlußdokument Regeln zur Verifikation der im Verlauf der Vier-plus-zwei-Gespräche getroffenen sicherheitspolitischen Vereinbarungen enthält. Zudem beharrt sie auf einer ausdrücklichen Verpflichtungserklärung, daß die ehemalige deutsch-deutsche Grenze zumindest bis zum Abzug aller sowjetischer Soldaten nicht von westlichen Streitkräften überschritten wird. Hinter diesem Beharren steckt ein gewisses Mißtrauen Moskaus: beim Treffen Kohl-Gorbatschow im Juli im Kaukasus so die sowjetische Darstellung - habe der Bundeskanzler bereits eine entsprechende Zusage gemacht. In dem von Kohl auf Pressekonferenzen im Kaukasus und in Bonn vorgelegten Katalog der mit Gorbatschow getroffenen Vereinbarungen tauchte diese Zusage jedoch nicht mehr auf. Moskauer Vertreter argwöhnen, Kohl habe diese Zusage seinerzeit ohne vorherige Zustimmung der drei westlichen Siegermächte gemacht. Diese, insbesondere die USA und Großbritannien, lehnen es aus Prinzip strikt ab, daß das Vier-plus-zwei -Dokument überhaupt Aussagen zu Rechten der vier Stationierungstruppen in Deutschland enthält. Umstritten ist nach wie vor auch der Titel des Dokuments und damit sein völkerrechtlicher Status. Klar scheint inzwischen, daß die alliierten Rechte nicht schon zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober, sondern erst nach der Verabschiedung des Vier -plus-zwei-Dokuments in den Parlamenten der Siegermächte erfolgen wird.

Andreas Zumach

Balten planen

Demarche

Moskau (dpa) - Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wollen bei den für kommenden Mittwoch in Moskau geplanten Zwei-plus-vier-Gesprächen der beiden deutschen Staaten und der vier Siegermächte in einer gemeinsamen diplomatischen Demarche auf ihre Sorgen über mögliche Folgen dieser Vereinbarungen für das Baltikum hinweisen. Wie am Donnerstag in Tallin und Vilnius bestätigt wurde, einigte sich der Baltische Rat am Vortag in der litauischen Hauptstadt auf eine entsprechende Erklärung. Eine Gruppe von Litauern will zudem am Verhandlungstag ein Holzkreuz um den Kreml tragen, um auf die „von Deutschland und der UdSSR verursachten Leiden des Baltikums“ hinzuweisen.

In der von den Präsidenten Estlands und Litauens, Arnold Rüütel und Vytautas Landsbergis, sowie dem lettischen Regierungschef Dainis Ivans verabschiedeten Erklärung heißt es, daß die „Sowjetunion nicht bevollmächtigt ist, die Interessen der drei baltischen Länder zu vertreten“. Die Balten begrüßten zwar die Vereinigung Deutschlands, wiesen jedoch darauf hin, daß damit „die Bereinigung der Folgen des zweiten Weltkrieges nicht erschöpft“ sei. „Die baltischen Staaten können nicht Objekt jener Verträge sein, die die Sowjetunion ohne Beteiligung der baltischen Staaten geschlossen hat und noch schließen wird“, heißt es in der Erklärung weiter.

Die Wiederherstellung der baltischen Unabhängigkeit müsse Gegenstand des Helsinki-Prozesses und von Verhandlungen Estlands, Lettlands und Litauens mit den vier Siegermächten sein.

Mit einer eigenen Protestaktion wollen zehn litauische Männer und Frauen am kommenden Mittwoch auf die Lage im Baltikum hinweisen. Sie brachen am Donnerstag in Wilna mit einem drei Meter hohen Holzkreuz zu einem „Kreuzgang“ nach Moskau auf. Dort wollen sie das Kreuz während der Zwei-plus -vier-Gespräche rund um den Kreml tragen. Wie der Organisator der Aktion und frühere Bürgerrechtler Peatras Cidzikas 'dpa‘ sagte, wolle man „die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Leiden des Baltikums lenken, deren Urheber die UdSSR und Deutschland sind, die vor dem Krieg Europa unter sich aufteilten“.